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Bundeswehr-Zapfenstreich vor dem Berliner Reichstag.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Die Affäre um den rechtsextremen deutschen Bundeswehr-Offizier Franco A. zieht immer weitere Kreise. Die Ermittler interessieren sich jetzt auch für einen zweiten Soldaten aus der Kaserne im elsässischen Illkirch sowie für einen Reservisten, der im Ausland lebt.

Laut Recherchen der "Zeit" soll ein Soldat namens Maximilian T. eine handschriftliche Liste mit Namen Prominenter verfasst haben, die als Anschlagsziele gelten. Dort aufgeführt sind unter anderen der deutsche Justizminister Heiko Maas und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck. Neben der Liste fanden die Ermittler den Angaben zufolge einen Notizzettel, der von Franco A. stammen soll.

Nach bisherigen Ermittlungen führte A. seit Dezember 2015 ein Doppelleben als "syrischer Flüchtling David Benjamin". Er steht unter Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Straftat vorbereitet haben. Darunter werden etwa Terroranschläge verstanden. Der deutsche Generalbundesanwalt ermittelt.

Ministerin sagt USA-Reise ab

Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat eine schonungslose Aufklärung der jüngsten Skandale bei der Bundeswehr angekündigt. Es müsse ein Blick darauf geworfen werden, wo Führung und Verantwortung versagt hätten und warum, sagte von der Leyen am Dienstagabend.

Eine geplante USA-Reise sagte sie angesichts der aktuellen Lage ab, um stattdessen nach Illkirch zu reisen, wo Franco A. seinen Dienst versah. Für Donnerstag hat sie hundert militärische Führungskräfte nach Berlin bestellt.

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Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte befürchtet, dass der terrorverdächtige Offizier Teil einer Gruppe von Soldaten mit rechtsextremer Gesinnung war. "Man muss jetzt sehr genau untersuchen, inwieweit dort rechtsradikale Strukturen entstanden sind", sagte Otte nach einer Sitzung der Obleute des Verteidigungsausschusses des Bundestags. "Die jetzt bekannten Hinweise deuten eher darauf hin."

Von der Leyen in Illkirch

Von der Leyen reiste am Mittwoch mit Generalinspekteur Volker Wieker nach Illkirch, um sich ein Bild von der ehemaligen Dienststätte des Soldaten zu machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte ihrer Ministerin am Mittwoch ihre volle Unterstützung zu,

Dem Vernehmen nach sollen zu der Gruppe um Franco A. noch mindestens vier weitere Soldaten gehört haben, darunter ein in Österreich ansässiger Reservist, der 2016 gemeinsam mit ihm an einer Wehrübung in Illkirch teilgenommen haben soll.

Der 28-jährige Oberleutnant Franco A. sitzt seit Samstag in Untersuchungshaft und verweigert jede Aussage. Ihm wird vorgeworfen, Anschläge geplant zu haben. Aufgefallen war er den Ermittlern, als er eine geladene Pistole in einer Toilette am Wiener Flughafen versteckte. Bei einer Durchsuchung seines Zimmers in der Kaserne in Illkirch wurden Teile eines G36-Sturmgewehrs gefunden, in die ein Hakenkreuz eingeritzt war. An der Wand hing das Bild eines Wehrmachtssoldaten.

SPD kritisiert Ministerin

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold warf von der Leyen vor, sie habe eigene Fehler nicht eingestanden und stattdessen pauschal Kritik an der Truppe geübt. "Es war falsch, es hat Vertrauen zerstört, und es war auch unnötig", sagte Arnold am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin". Von der Leyen hatte der Bundeswehr am Wochenende angesichts des Skandals ein Haltungsproblem und Führungsschwäche attestiert. Das hatte große Empörung bei Bundeswehrverband und Oppositionspolitikern ausgelöst.

Arnold sprach von einer Zunahme rechtsextremer Fälle in der Bundeswehr. "Das müssen wir sehr ernst nehmen." Mit der Bundeswehrreform, der Ausdünnung der Personalstruktur, dem "Eindampfen" des Militärischen Abschirmdiensts (MAD) und dem Erstarken rechter politischer Kräfte habe sich in der Truppe etwas verändert. Dabei seien Themen wie politische Bildung zu kurz geraten. "Da muss die Ministerin sofort gegensteuern."

"Politischer Wandel und Subversionsstrategie"

Einen Einblick in die Gedankenwelt des Offiziers, der sich als syrischer Flüchtling ausgab, obwohl er kein Wort Arabisch spricht, gewährt dessen Versuch einer Masterarbeit, die er 2014 an der französischen Militärakademie Saint-Cyr einzureichen versuchte. Unter dem Titel "Politischer Wandel und Subversionsstrategie" schwadroniert er von einem "Genozid" an den westlichen Gesellschaften, der bereits "in ganzen Städten zum Austausch der Bevölkerung geführt" habe.

Das Urteil des Kommandeurs der Schule, Général de Division Antoine Windeck, war eindeutig: "Wenn dies ein französischer Lehrgangsteilnehmer wäre, würden wir ihn ablösen", ist in einem Aktenvermerk der Bundeswehr zu lesen. Ein Mitarbeiter des Zentrums für Militärgeschichte bezeichnete den Text als "radikalnationalistischen, rassistischen Appell", die Vorgesetzten des Soldaten sahen allerdings "keinen Anhaltspunkt", dass dieser eine rassistische Denkweise verfolge.

Kritiker des Berufsheermodells warnten bereits bei der Abschaffung der Wehrpflicht, dass man so riskiere, dass sich viele politisch extrem Eingestellte als Soldaten melden. Dass sich Rechtsextreme zum Militär hingezogen fühlen, ist nicht neu: Laut "Zeit" fiel der NSU-Terrorist Uwe Mundlos während seines Wehrdiensts mit seiner Neonazi-Gesinnung auf, wurde aber trotzdem befördert. (bed, 3.5.2017)