Vorlesungsähnliche Frontalblöcke sollen sich durch die Aufhebung der Klassenschülerhöchstzahl mit intensiver Kleingruppenarbeit abwechseln können.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) beharrt auf den Eckpunkten ihres Schulautonomiepakets.

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Wien – Am Sonntag hat die Frist für Stellungnahmen zum Schulautonomiepaket der Regierung geendet, rund 1.100 Kommentare sind bisher auf der Parlamentswebsite abrufbar. Der Entwurf soll nun laut Bildungsministerium noch adaptiert und sobald wie möglich mit den Grünen, deren Zustimmung die Regierungsparteien im Parlament brauchen, verhandelt werden. Anfang Juni soll die Reform den Ministerrat passieren.

Schon bisher seien parallel zur Begutachtungsfrist laufend jene Hinweise aus den Stellungnahmen, die man für sinnvoll halte, in die Gesetzesentwürfe eingearbeitet worden, betont man im Büro von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ). Nun sollen diese Arbeiten finalisiert werden.

Am 8. Mai steht ein Treffen mit der Lehrergewerkschaft zum Autonomiepaket an – wobei im Bildungsressort betont wird, dass es sich dabei nur um ein Gespräch und nicht um Verhandlungen handle. Wie bereits von der Ministerin angekündigt, seien die Eckpunkte der Reform nämlich nicht verhandelbar.

"Flexible Regelung" bei Schul- und Clusterleitern

Die Lehrer stoßen sich vor allem an der Möglichkeit, dass die Leiter von Schulen bzw. Clustern (Zusammenschluss von bis zu acht Schulen) Lerngruppen mit mehr als 25 Schülern bilden können. In diesem Punkt werde es allerdings mit Sicherheit keine Änderungen geben, so das Bildungsministerium zur APA. "Wenn ich hier keine flexible Regelung habe, geht sich moderner Unterricht einfach nicht aus", so die Begründung.

Bereits klargestellt sei in den Gesetzen, dass es bei den Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik (ZIS) nicht zu weniger regionalen Angeboten für Schüler mit körperlichen und geistigen Behinderungen bzw. Verhaltensauffälligkeiten kommen soll, sondern nur die Gutachten über den Sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) künftig in den Bildungsdirektionen angesiedelt sein sollen. Am 10. Mai findet im Bildungsministerium dazu eine Informationsveranstaltung für die Wiener Sonderschuldirektoren statt, von denen in den Stellungnahmen besonders viele vor einer Zerstörung der derzeitigen Strukturen gewarnt hatten.

Freie Nachmittage werden Kann-Bestimmung

Ebenfalls geändert worden sei die Vorgabe, dass an Ganztagsschulen an zwei Tagen pro Woche die Unterrichts- und Lernzeit schon um 13 Uhr enden muss. Kritiker hatten davor gewarnt, dass durch die beiden Frühschluss-Tage die verschränkte Ganztagsschule mit einem Wechsel aus Unterricht, Lern- und Freizeit de facto verunmöglicht werde. Der Gesetzesvorschlag sei aufgrund der Wünsche von Eltern formuliert worden, die einen zweiten freien Nachmittag eingefordert hatten, damit ihren Kindern mehr Zeit für Kurse in Musik- und Sportvereinen oder auch Arztbesuche bleibe. Nun soll im Gesetz eine Kann-Bestimmung stehen, Eltern und Schulen sollen sich also autonom am Standort auf die genaue Organisation einigen.

Die Verhandlungen mit den Grünen sollen rasch beginnen, damit sich ein Gesetzesbeschluss vor der Sommerpause des Parlaments noch ausgehen kann. Das fertige Gesetz muss spätestens Anfang Juni den Ministerrat passieren, damit es noch rechtzeitig dem Parlament zugewiesen werden kann. Dort könnte es dann in der letzten Plenarwoche Ende Juni beschlossen werden.

Die wesentlichen Kritikpunkte am Paket:

  • Autonomie: Die Regierung hat den Schulen mehr Entscheidungsfreiheit versprochen. Viele kritische Stellungnahmen sehen allerdings ein reines Struktur- und Verwaltungspaket, das in der Praxis keine Verbesserungen für die Schulen bringen wird. Ein zeitweises Auflösen des Klassenverbands sei ebenso jetzt schon möglich wie ein Abgehen von den 50-Minuten-Einheiten, auch Frühbetreuungsangebote für Schüler gibt es schon jetzt. Als Grundsatzproblem wird genannt, dass die Reform kostenneutral sein soll, es also kein zusätzliches Geld gibt.
  • Bildungsdirektoren: Die Aufgaben von Landesschulräten und Bildungsabteilungen der Länder sollen künftig unter einem Dach von den neuen Bildungsdirektionen übernommen werden. Kritiker sehen allerdings eine reine Namensänderung, ohne dass sich etwas an der aufwendigen und komplizierten Schulverwaltung ändern würde. Probleme werden vielfach durch die Weisungsketten erwartet, weil der Bildungsdirektor sowohl vom Präsidenten der Bildungsdirektion, der optional vom Land eingesetzt werden kann (im Regelfall der Landeshauptmann oder der Bildungslandesrat), als auch von der Bildungsministerin Weisungen entgegennehmen muss.
  • Cluster: Vorgesehen ist, dass künftig bis zu acht Schulen gemeinsam von einem Clusterleiter verwaltet werden können. An den einzelnen Schulen soll es nur noch pädagogische Bereichsleiter geben, was als Verlust der zentralen Ansprechperson vor Ort beklagt wird. Mit den sich dadurch ergebenden Einsparungen soll eine Sekretariatskraft pro Cluster geschaffen werden. Durch Einsatz der Lehrer an jeder Schule des Clusters soll der fachfremde Unterricht eingeschränkt werden, außerdem soll die Schließung von Kleinschulen verhindert werden. Der Rechnungshof etwa sieht in der Reform jedoch wenig Verbesserung zum Status Quo. Breiten Widerstand gibt es gegen die Regelung, dass Cluster unter gewissen Bedingungen auch gegen den Willen der Lehrer gebildet werden dürfen.
  • Gruppengrößen: Derzeit gelten an den Schulen eine Klassenschülerhöchstzahl von 25 bzw. (an AHS-Oberstufen und BMHS) 30 sowie bestimmte Teilungszahlen für den Unterricht in manchen Fächern. Künftig sollen die Schul(cluster)leiter frei über die Gruppengröße entscheiden können. Die Idee: Vorlesungsähnliche Frontalblöcke sollen sich mit intensiver Kleingruppenarbeit abwechseln können. Kritiker befürchten allerdings, dass es generell zu größeren Klassen kommen könnte bzw. in den Clustern durch große Gruppen an einem Standort kleine Gruppen an einem anderen "gegenfinanziert" werden sollen.
  • Ganztagsschulen: Hier wurden vom Bildungsministerium bereits Änderungen angekündigt. Im Gesetzesentwurf war vorgesehen, dass künftig an zwei Tagen pro Woche die Lern- und Unterrichtszeit um 13 Uhr enden muss. Kritiker warnten, dass dadurch an den verschränkten Ganztagsschulen über die Wochen hinweg ein Wechsel von Unterricht, Lern- und Freizeit unmöglich würde: Lange Freizeitblöcke an den beiden Frühschluss-Tagen müssten nämlich durch lange Unterrichts- bzw. Lernblöcke an den anderen ausgeglichen werden. Nun soll die Entscheidung autonom an den Schulen getroffen werden.
  • Sonderpädagogik: Große Aufregung herrschte unter Betroffenen und Sonderschullehrern wegen des Satzes in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf, dass die Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik (ZIS) aufgelöst und ihre Agenden von den Bildungsdirektionen übernommen werden sollen. Mittlerweile wurde vom Bildungsministerium klargestellt, dass es auch weiterhin eine kleinteilige und regionale sonderpädagogische Betreuung für Kinder mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen oder Verhaltensauffälligkeiten geben soll. Die Bildungsdirektionen sollen lediglich die Gutachten zum Sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) erstellen und mitentscheiden, ob ein Kind idealerweise eine Sonder- oder Regelschule besucht.(APA, 2.5.2017)