Der Exchef des Integrationsfonds erklärt, dass die Versorgung mit Wohnraum nicht Kernaufgabe des Fonds gewesen sei.

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Wien – In der Causa Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF) sind die Ermittler dabei, die Unterlagen zu analysieren, die sie bei den Hausdurchsuchungen Ende 2016 gefunden haben. Es geht um den Vorwurf, der Fonds habe bis 2011 Immobilien zu billig verkauft, und zwar an Nahestehende wie Hausverwalter, Steuerberater oder Immogesellschaften.

Die Rechercheure haben die Dokumentation zu den verkauften Wohnungen durchforstet und kommen in einem Zwischenbericht zum Schluss, dass seitens des Fonds "2009 offensichtlich kein Interesse mehr gegeben war, die angeführten ÖIF-Wohnungen an Klienten des ÖIF zu vermieten oder zu verkaufen". Denn, so die Annahme der Beamten vom Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK): "Mit den Neumietern konnten viel höhere Mieterträge erzielt werden."

"Startwohnung" wurde versilbert

Als Indiz dafür erzählen sie Fälle nach, in denen Flüchtlinge den Fonds um Verlängerung ihrer Mietverträge ersuchten. So habe einer dieser Mieter bereits 2006 gefragt, ob sein bis September 2009 geltender Vertrag verlängert werden könne, ihm wurde beschieden, dass er das erst 2009 beantragen könne. Also stellte der Mieter im Jänner 2009 den Antrag, am 8. Jänner bekam er "nach Rücksprache mit der Geschäftsführung" die Absage.

Der Verlängerung könne nicht zugestimmt werden, "da es sich um eine Startwohnung für Flüchtlinge handelt". Der Start hatte allerdings ein rasches Ende: Am 29. Dezember 2009 verkaufte der ÖIF die Wohnung an die VR Vermögensverwaltung GmbH. Sie war knapp davor von der Chefin der ÖIF-Hausverwaltungsgesellschaft Consio gegründet worden.

Familien mussten raus

Der Bewohnerin einer anderen ÖIF-Wohnung erging es ähnlich. Für die Mutter von fünf Kindern (vier davon schulpflichtig) versuchte die Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie eine Übertragung des Mietvertrags zu bekommen, nachdem der Ehemann der Frau wegen Gewalt weggewiesen worden war.

Hausverwalter Consio leitete den Antrag an den ÖIF weiter, der im Jänner 2009 zustimmte. Ende Februar teilte Consio der Frau aber mit, dass der Mietvertrag Ende April ende, ein Räumungsverfahren wurde gleich mit angekündigt. Im April bat die Sozialhilfebezieherin um Aufschub bis zum Ende des Schuljahres (Juni) – doch Consio winkte ab. "Nach Rücksprache mit dem Wohnungseigentümer" – dem ÖIF – sei die Verlängerung des Mietvertrags "nicht möglich".

Belege für eine Korrespondenz zwischen Consio und ÖIF fand das BAK nicht. Faktum ist: Auch diese Wohnung wurde am 29. Dezember an die VR verkauft.

"Erlös zu nieder und nicht marktkonform"

Den Kernvorwurf, dass die ÖIF-Wohnungen zu billig verkauft wurden (der Rechnungshof kam auf sechs Mio. Euro), erhärtet ein von der WKStA beauftragter Immobiliensachverständiger. Er analysierte die Kaufpreise von drei 2008 und 2009 verkauften Wohnungspaketen. Und kam zum Schluss, dass die Kaufpreise "unabhängig von Bau- und Erhaltungszustand oder Vermietungssituation der Objekte mit Sicherheit zu nieder und nicht marktkonform waren". Bei 33 einzeln versilberten Wohnungen sei der Preis "unter Umständen marktkonform, wahrscheinlich aber tendenziell zu nieder" gewesen.

Der beschuldigte Exchef des ÖIF beteuert gegenüber der WKStA, der Verkauf sei "nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse des Fonds erfolgt". Die Instandhaltungskosten seien "atypisch" hoch gewesen; "oftmals zeigten Flüchtlinge ein Wohnverhalten, das nicht den Gepflogenheiten und Standards in Österreich entsprach", so eines seiner Argumente. Vor allem aber sei "die Versorgung mit Wohnraum nicht ÖIF-Kernaufgabe" gewesen.

Weisung in Causa Stadterweiterungsfonds

Der Beschuldigte war auch Chef des Wiener Stadterweiterungsfonds, auch da läuft ein Verfahren. Aus dem bereits dem Ministerium kommunizierten Vorhaben der WKStA, die Causa "endzuerledigen" (also anzuklagen oder einzustellen), ist aber noch nichts geworden. Laut Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen durch Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat das Ministerium die Weisung zur Einvernahme von vier Beschuldigte zu "offenen Fragen" erteilt. Wie berichtet geht man in wohlinformierten Kreisen von der Einstellung der Causa aus.

Auch in diesem Verfahren geht es um Immobilienverkäufe sowie um den Vorwurf, dass Gelder des Fonds widmungswidrig verwendet wurden; für Institutionen, die dem Fonds bzw. dessen Verantwortlichen nahe standen. Und auch in dieser Causa gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, 30. 4. 2017)