Ein Sperber-Huhn ist besonders für die Freilandhaltung geeignet, weil es sehr robust ist.

Foto: Alex Stranig

Ich wollt ich wär ein Huhn, ich hätt nicht viel zu tun. Ich legte vormittags ein Ei und abends wär ich frei", trällerten Willy Fritsch und Lilian Harvey 1936 im Film Glückskinder. Bei der Sache mit den Eiern würden Ernestine und Walter Swoboda den beiden Schauspielern wahrscheinlich widersprechen. Ihre Hühner denken nämlich nicht daran, vor Mittag ein Ei abzulegen. Das wird aber auch gar nicht von ihnen verlangt.

In einer kleinen Wohnstraße, inmitten von Einfamilienhäusern am Wiener Wilhelminenberg, lebt das Ehepaar mit vier gefiederten Damen der Rassen Sperber Barred, Schwarz-Harco, Königsberger Blue und einer sogenannten Grüneierlegerin. Als Exoten gelten Hühnerhalter in der Stadt längst nicht mehr. "Unsere Nachbarn haben schon länger Hühner. Wir wollten irgendwann Haustiere haben, die nicht im Haus leben, weil ich kein großer Fan von Streicheltieren bin. Das Huhn ist ein Haustier im ursprünglichen Sinn. Die Eier sind zwar auch interessant, das war aber nicht unsere Hauptmotivation", sagt Ernestine Swoboda.

Fuchs du hast die Henne gestohlen

Anfangs hatte das Ehepaar nicht viel Glück – der Fuchs hat viele Hühner gerissen. Nach der letzten Attacke wurde der Stall aber fuchssicher gemacht. "Beim ersten Mal hat der Fuchs unter dem Gitter durchgegraben. Auch mobile Zäune beißt er einfach durch. Also mussten wir leider einen Elektrozaun installieren", erzählt Walter Swoboda.

Die Stallpflicht ist zum Glück wieder aufgehoben. Somit können die Hühner wieder ihre Freiheit genießen.
Foto: Alex Stranig

In den letzten Wochen war der Auslauf für die Hühner aufgrund der verordneten Stallpflicht aber ohnehin sehr eingeschränkt. Erst seit dieser Woche besteht keine Vogelgrippegefahr. "Hühner in Wien dürfen wieder uneingeschränkt frei herumlaufen", sagt Meike-Barbara Kolck-Thudt vom Gesundheitsministerium.

Nachfrage steigt

Das bedeutet auch, dass das Telefon bei Norbert Diglas nicht mehr stillstehen wird. Der Geflügelzüchter aus Feuersbrunn ist ein gefragter Ansprechpartner für interessierte Hühnerhalter. Das Geschäft könnte nicht besser laufen im Moment, sagt er. Das war aber nicht immer so.

"Als 2006 die Vogelgrippe kam, war es sehr schwierig für uns, weil viele Hühnerhalter Angst hatten, krank zu werden. Märkte waren gesperrt, und wir wussten nicht, ob wir überleben. Ab 2011 erlebten wir dann einen richtigen Boom. Damit haben wir nicht gerechnet. Im Moment leben 1,5 Millionen unserer Hühner in Österreich in Klein- und Kleinsthaltung. Als die Stallpflicht heuer kam, dachten wir, dass es wieder nach unten geht. Aber die Kleintierhalter sind mittlerweile so aufgeklärt und erfinderisch", sagt Diglas.

Nadine und Matthias Hasenzagl freuen sich ebenso über die frischen Eier der eigenen Hühner, wie ihre Kinder.
Foto: Alex Stranig

Genau wie Familie Swoboda haben auch Nadine und Matthias Hasenzagl im Zuge der Stallpflicht einen Teil des Hühnerauslaufs überdacht, um die Tiere nicht den ganzen Tag im Stall einsperren zu müssen. Das Ehepaar lebt mit seinen drei Kindern in einem Mehrparteienhaus im niederösterreichischen Pyhra. Dass sie für ihre Hühner einen Teil des gemeinsamen Gartens eingezäunt haben, stört die Nachbarn nicht. "Der Garten war immer ungenutzt, und das hat sich angeboten. Außerdem sind die meisten unserer Nachbarn selbst in einer Landwirtschaft aufgewachsen. Also war es auch nicht so ein Problem", sagt Matthias Hasenzagl.

Hähne im Korb

Dass mittlerweile auch drei Hähne die Damengeflügelrunde aufmischen, sei einem Zufall geschuldet. "Den älteren Hahn haben wir gerettet, weil er im Siedlungsgebiet gelebt hat und zu laut war", erzählt Nadine Hasenzagl. Die anderen zwei Hähne wurden von den eigenen Hühnern ausgebrütet. Demnächst sollen sie aber ein neues Zuhause finden. Ein Mann im Hühnerstall sei nämlich völlig ausreichend, und ihn zu schlachten, komme nicht infrage, sagt die Familie.

Die Hähne von Familie Hasenzagl fühlen sich wohl zwischen den Hennen.
Foto: Alex Stranig

Generell solle man aber überlegen, ob man einen Hahn nimmt, sagt Norbert Diglas. Hähne können nämlich sehr aggressiv sein. Und das könne vor allem dann zum Problem werden, wenn man kleine Kinder hat. Offenbar sind Hennen aber ohnehin sehr emanzipiert. Sie leben, sagt Diglas, auch ohne männliche Tiere ganz gut.

Hühner auf Balkonien

Dass man nicht unbedingt einen riesigen Garten braucht, um Hühner in der Stadt zu halten, beweist Yamuna Valenta. Die studierte Industriedesignerin hat einen Hühnerstall entwickelt, der auch auf einem Balkon Platz findet. Bevor sie für ein Doktorat nach Japan ging, hielt sie ihre Hühner auf dem Balkon ihrer Gemeindewohnung. "Ich musste zuerst mit den Nachbarn sprechen und mit der Hausverwaltung. Die kannte sich nicht wirklich aus, also habe ich direkt bei der Gemeinde Wien nachgefragt, die mir die Hühnerhaltung erlaubte. Der Veterinäramtsarzt war auch bei mir und hat sich meinen Balkon angeschaut. Laut ihm dürfte ich bis zu 20 Hühner dort halten", sagt Valenta.

Den Vorwurf, dass es sich hierbei nicht um artgerechte Tierhaltung handle, lässt die Wienerin nicht gelten. "Ich war verwundert, als eine Nachbarin meinte, dass ihr die Hühner leidtun und eigentlich aufs Land gehören. Als ich sie fragte, welche Hühner sie im Geschäft kauft, antwortete sie: normale Hühner – also keine Bio-Hendln. Das ist ein Widerspruch. Hühnern auf dem Balkon geht es besser als Hunden, die stundenlang in kleinen Wohnungen eingesperrt sind."

Norbert Diglas verkauft nicht nur Hühner, sondern auch das passende Zubehör wie Legenester oder Futterspender.
Foto: Alex Stranig

Grundlegende Dinge muss man aber beachten, entscheidet man sich für die Hühnerhaltung zu Hause. Die Tiere brauchen neben Rückzugsmöglichkeiten auch einen Untergrund, auf dem sie scharren können. Satte grüne Wiesen verwandeln sich somit schnell in karges braunes Land. Dafür sind Hühner aber auch dankbare Abnehmer von Essensresten und kümmern sich um ungebetene Gartenbewohner. "Unsere Hühner fressen mit Vorliebe Schneckeneier. Letztes Jahr hatten wir kaum Nacktschnecken im Garten", sagt Ernestine Swoboda.

Superfood für Hühner

Für die Hipster unter den Hühnerhaltern gibt es natürlich auch Spezialfutter – quasi Superfood für Hendln. So bietet beispielsweise die Firma Weichei im niederösterreichischen Strengberg Futter an, das den Stresspegel der Hühner senken soll oder solches, das gegen Schnupfen und Appetitlosigkeit helfen soll.

Dass es aber auf mehr als auf das richtige Futter ankommt, veranschaulicht Schauspielerin Isabella Rossellini in ihrem Buch "Meine Hühner und ich". Darin dokumentiert sie das Zusammenleben mit ihren Hühnern und fand heraus, dass Hühner zwar ein kleines Gehirn haben, aber keineswegs dumm sind. Die besten Voraussetzungen also für Leben in der Stadt. (Alex Stranig, 30.4.2017)

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