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Microsoft, Apple, Google, General Electric und die übrigen Konzerne, die Gewinne im Ausland parken, sollen einen Anreiz erhalten, die Gelder heimzuholen.

Foto: JASON LEE

Wien/Washington – Das Konzept für die Revolution passt auf eine A4-Seite. Das Weiße Haus hat nach eigenen Angaben einen Vorschlag für die umfassendste Reform des US-Steuersystems seit den 1980er-Jahren vorgestellt. Doch die am Mittwoch publizierten Pläne bestehen bisher aus nicht viel mehr als Stichwörtern und Absichtserklärungen.

Doch das A4-Blatt war ausreichend, um unter Steuerexperten und Ökonomen weltweit Diskussionen auszulösen. Interesse erweckt vor allem die geplante Senkung des Unternehmenssteuersatzes von 35 auf 15 Prozent. Die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt, kein Land exportiert und importiert mehr Kapital. Was immer in Washington passiert, hat Signalwirkung.

"Die USA sind dabei, den globalen Steuersenkungswettbewerb wieder anzufachen", sagt Markus Meinzer vom Tax Justice Network, einer auf Steuerfragen spezialisierten europäischen NGO.

Entwicklungsstaaten unter Druck

Ein 15-prozentiger Steuersatz werde nicht nur den Druck auf die EU-Länder erhöhen, sondern auch zahlreichen Entwicklungsstaaten zusetzen, die um Investoren kämpfen. Die Entwicklung in Washington müsse man im breiten Zusammenhang sehen, sagt Meinzer. Die britische Premierministerin Theresa May hatte als Folge des Brexit-Votums angekündigt, dass das Vereinigte Königreich bis 2020 den niedrigsten Unternehmenssteuersatz aller G20-Länder einführen werde. May schlug im Herbst vor, die Steuersätze von 20 auf 17 Prozent zu senken. Wenn sie ihr Versprechen ernst nimmt, müsste May nun auf Trump reagieren und noch stärker nach unten gehen, so Meinzer.

Die Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) Margit Schratzenstaller geht ebenfalls davon aus, dass die Ankündigung Trumps die Diskussionen in Europa "befeuern" werde. Wenn man allerdings genauer hinsehe, relativiere sich das auf den ersten Blick drastische Ausmaß der US-Pläne.

Trump kann nur den bundesweit geltenden Steuersatz senken. Daneben erheben viele Bundesstaaten eigene Abgaben auf Unternehmensgewinne. Selbst wenn Trump die 15-Prozent-Rate einführt, würde die Gewinnsteuer in New York insgesamt auf nur 21 Prozent sinken. Das kommt nahe an die klassischen Steuersätze in Europa heran. 25,9 Prozent beträgt die durchschnittliche Unternehmenssteuer der 15 alten EU-Länder, so Schratzenstaller.

Anreiz zum Gelder heimholen

Wobei Trump noch eine Gesetzesänderung vorschlägt, mit der die USA für global operierende Unternehmen interessanter werden. Für Konzerne mit Sitz in den Vereinigten Staaten gilt, egal ob sie im Ausland oder in den USA tätig sind, dass sie immer mit dem gleichen Niveau besteuert werden. Beispiel: Ein US-Konzern macht mit seiner Österreich-Tochter eine Million Euro Gewinn und bezahlt die 25-prozentige Körperschaftssteuer. Zahlt das Unternehmen eine Dividende an die US-Mutter aus, wird dieser Betrag in den USA nachversteuert, um die 35-Prozent-Marke zu erreichen. In Europa werden Dividenden bei Ausschüttungen in ein anderes EU-Mitgliedsland hingegen nicht mehr nacherfasst.

Die US-Regel führt dazu, dass amerikanische Unternehmen unglaubliche 2,3 Billionen Dollar (2,1 Billionen Euro) an Gewinnen im Ausland belassen. Sie trägt auch dazu bei, dass die Einnahmen der USA aus Unternehmenssteuern im Vergleich recht niedrig sind.

Das Weiße Haus will das System umstellen. Künftig sollen im Ausland versteuerte Profite nicht nacherfasst werden. Auf die 2,3 Billionen soll eine einmalige Abgabe erhoben werden. Damit hätten Microsoft, Apple, Google, General Electric und die übrigen Konzerne, die Gewinne im Ausland parken, einen Anreiz, die Gelder heimzuholen. Der US-Regierung würde das dabei helfen, die Steuerreform zu finanzieren.

Wackelige Mehrheit

Das Weiße Haus will ja auch Einkommenssteuern senken und die Erbschaftssteuer abschaffen. Doch Vorschläge zur Gegenfinanzierung sind rar. Daher wird erwartet, dass die USA ihre Schulden erhöhen. Doch das letzte Wort haben Repräsentantenhaus und Senat. Ein Teil der Republikaner dort sieht Steuererhöhungen skeptisch. Vor allem im Senat könnte eine nötige Mehrheit für die Reform nicht zustande kommen.

Fraglich ist auch die Zukunft weiterer Vorhaben der US-Regierung: Am Mittwoch hatte es in US-Medien geheißen, Trump werde das nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) mit Mexiko und Kanada aufkündigen. Trump stellte über Twitter klar, dass die USA das Abkommen nachverhandeln wollten. Nur wenn dabei kein fairer Deal herausschaue, sei er bereit, Nafta aufzukündigen. (András Szigetvari, 28.4.2017)