Die Grüne Erde sammelte mit Crowdfunding mehr als zehn Millionen Euro ein und sieht sich damit für die kommenden Jahren ausreichend finanziert. In Altdarlehen wie die ihren wird nicht eingegriffen.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Wer bei Finanzierungen auf die Kraft des Schwarms vertraut, muss dafür nun auch selbst mehr Geld in die Hand nehmen. Zumindest, wenn das eingesammelte Volumen die Grenze von 1,5 Millionen Euro sprengt. Auslöser ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs. So wertet der Gesetzgeber Nachrangdarlehen nämlich ab sofort als Veranlagung. Und für diese sind im Dienste des Verbraucherschutzes Prospekte verpflichtend.

Aus Sicht der Finanzmarktaufsicht wurde eine Lücke im Konsumentenschutz geschlossen. Künftig gelte: Je höher das Emissionsvolumen, desto mehr Transparenz sei gefordert. Für Anleger wie Unternehmer gebe es mehr Rechtssicherheit. Wobei: Bereits bestehende Darlehen sind nicht betroffen. Derer fast 120 wurden seit Herbst 2015 begeben. Neue Bürgerbeteiligungsmodelle und Start-up-Finanzierungen hatten einen regelrechten Run auf sie ausgelöst.

Staudingers Kräftemessen

Mehr als sechs Jahre ist es schon her, da lieh sich der Schuhmacher Heini Staudinger drei Millionen Euro von Freunden und Bekannten, um seinen Betrieb im Waldviertel auszubauen. Es folgte ein Kräftemessen mit der Aufsicht, die darin unerlaubte Bankgeschäfte sah. Staudinger hatte juristisch zwar das Nachsehen, brachte aber gehörig Schwung ins Crowdfunding: Viele Kleinstanleger wurden zur neuen Geldquelle, zumal jene der Banken für viele kleine Betriebe und Gründer versiegte.

Ein Weg, um bei alternativen Finanzierungen nicht ins Visier der Aufsicht zu geraten, und den letztlich auch Staudinger wählte, führte über Nachrangdarlehen. Mit ihnen akzeptieren Investoren, dass sie im Falle einer Pleite erst dann bedient werden, nachdem alle anderen Gläubiger ihr Geld erhalten haben. Für das höhere Risiko gibt es meist stattliche Zinsen. Warum diese Form der Geldbeschaffung für Unternehmer reizvoll war? Sie ist kein konzessionspflichtiges Finanzgeschäft. Und sie fiel in der Regel aus der Prospektpflicht.

Damit ist nun Schluss. Für eingesammeltes Geld in Höhe von 1,5 bis fünf Millionen Euro braucht es künftig einen vereinfachten, üblicherweise 70-seitigen Prospekt. In Einzelfällen gibt es Ausnahmen – etwa, wenn die Laufzeit unter einem Jahr liegt. Für alles über fünf Millionen führt kein Weg mehr am vollen Veranlagungsprospekt vorbei, der bis zu 500 Seiten dick ist. Die Kosten für ein Prospekt beziffert die FMA mit im Schnitt 20.000 bis 30.000 Euro. Für Summen unter 1,5 Millionen Euro genügt wie bisher ein Informationsblatt.

"Ziemlich heuchlerisch"

Dem Finanzrebellen Staudinger haben in den vergangenen Jahren 300 private Anleger 4,5 Millionen Euro anvertraut. Hunderte andere stünden auf Wartelisten, wobei er derzeit aber nicht mehr Geld benötige, sagt er dem STANDARD. Mit der Prospektpflicht werde für ihn dieses Modell zukünftig jedenfalls uninteressant. "Ich halte sie auch für ziemlich heuchlerisch. Sie ist ein Lobbyingerfolg für die Szene, die die Prospekte erstellen darf."

Vor Verlusten hätten Prospekte die Kleinanleger weder bei Meinl noch bei Alpine geschützt. "Aber wo sind Alternativen für die Finanzierung?" Kleine Tischler aus dem Waldviertel etwa hätten keine Chance auf Hilfe der Banken. Letztlich stehe, was er selbst durch Vertrauen in andere verloren habe, in keiner Relation zu dem, was er mit Vertrauen gewonnen habe.

Kuno Haas sieht die neuen Regeln pragmatisch. "Es ist eine vernünftige, österreichische Lösung, zumal es immer wieder schwarze Schafe in der Branche gibt. Und es lässt sich ja auch mit bis zu 1,5 Millionen Euro einiges machen." Der Chef und Miteigentümer der Handelskette Grüne Erde sammelte durch Crowdfunding mehr als zehn Millionen Euro ein. Ob sich sein Betrieb künftig einen großen Prospekt leisten werde, will er in Ruhe prüfen. "Wir können das sicher auf den Boden bringen, und ich will keinen Graubereich." Die Prospekthaftpflichtversicherung mache es aber natürlich zu einem großen finanziellen Brocken.

Für Wirbel sorgte jüngst Kitzventure. Die Tiroler Beteiligungsfirma versprach Kleinanlegern 9,7 Prozent Zinsen und geriet ins Visier der Justiz. Die FMA erstattete im März Strafanzeige. (Verena Kainrath, 26.4.2017)