Das Untersuchungsgebiet des Projekts "BELAVI – Beyond Lake Villages".

Karte: Julia Klammer, Quellen: Land Oberösterreich, BDA, Kuratorium Pfahlbauten, Geofabrik GmbH und OpenStreetMap contributors

Ein April-Unwetter nähert sich. Wir sind in Schörfling am Attersee und blicken gegen Südwesten.

Foto: Julia Klammer

Zwischendurch eine Jause.

Foto: Kerstin Kowarik

Dokumentation einer Fundstelle mittels Fotos und GPS-Geräten.

Foto: Kerstin Kowarik

Trotz Aprilwetters wird weitergearbeitet.

Foto: Kerstin Kowarik

Wälle und Gräben: Befestigte Siedlungsareale am Buchberg/Attersee. Hintergrund: Reliefschummerung.

Karte: Julia Klammer, Quellen: Land Oberösterreich

Gehzeit-Berechnung "off-path" für das Umfeld der Seeuferstation See am Mondsee. Gelb = 30 Minuten Gehzeit, Rot = 60 Minuten Gehzeit.

Karte: Helena Seidl da Fonseca, Quellen: BDA, Kuratorium Pfahlbauten, geoland.at, Geofabrik GmbH und OpenStreetMap contributors

Die Arbeiten am Schreibtisch sind beendet, jetzt wird es Zeit, die Ergebnisse unserer Untersuchungen am Computer auch im Gelände zu überprüfen. Seit Monaten wird nämlich die Landschaft rund um den Attersee und Mondsee digital mithilfe eines Geografischen Informationssystems (GIS) untersucht. Im internationalen Forschungsprojekt "Jenseits der Seeufersiedlungen" (FWF-Projektnummer I-1693), das im Archäologieblog bereits von Kerstin Kowarik vorgestellt wurde, sind wir unter anderem für die GIS-Analysen zuständig. Gemeinsam untersuchen wir den räumlichen Mensch-Umwelt-Kontext, um die Beziehungen der neolithischen Gesellschaften zu ihrer umgebenden Topografie zu verstehen.

Abwechslungsreiche Landschaft

Die Landschaft um den Attersee und Mondsee herum ist wunderschön variantenreich. Das Höllengebirge und der Schafberg als Gebirgszüge der nördlichen Kalkalpen begrenzen den Süden beziehungsweise Osten der beiden Seen. Im Norden werden sie von den sanften Hügeln der Flyschzone umringt. Die beiden Gewässer selbst bildeten sich erst nach der Gletscherschmelze und sind damit noch relativ jung in der Erdgeschichte. Erste Nachweise für die Besiedlung der Seeufer datieren in das 4. Jahrtausend v. Chr. Bei diesen Siedlungsnachweisen handelt sich um die berühmten Pfahlbausiedlungen.

In unserem Forschungsprojekt wird die Beziehung zwischen diesen Seeufersiedlungen und ihrem Hinterland untersucht. Dabei sind wir im Zuge unserer Forschungen auch gezielt auf der Suche nach zeitgleichen Fundstellen zu den Pfahlbauten im Landesinneren. Das Untersuchungsgebiet des Projektes umfasst deshalb großräumig das Attersee- und Mondseegebiet und deckt eine Fläche von 1.374 Quadratkilometern ab.

Spuren der Vorfahren entdecken

Doch woher kennen wir Archäologen die Orte, an denen wir suchen müssen, um Spuren unserer Vorfahren zu entdecken? Haben Archäologen einen sechsten Sinn für die Vergangenheit? Nein, die Wahl unserer Ziele ist vielmehr das Ergebnis intensiver Recherchen und Analysen.

Um einen ersten Überblick über das Vorkommen und die Verteilung von archäologischen Fundstellen zu bekommen, widmen wir uns daher verschiedenen Prospektionsstrategien. Im Speziellen stand die Prospektion auf Basis von flugzeuggetragenen Laserscandaten im Vordergrund unserer Voruntersuchungen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden dann mithilfe von Begehungen vor Ort überprüft.

Digitale Geländemodelle

Die archäologische Feldbegehung ist eine Disziplin der archäologischen Prospektion. Dabei versteht man unter Prospektion (lat. prospicere "erkunden", "in die Ferne schauen") die zerstörungsfreie Dokumentation und Interpretation von archäologischen Fundstellen und ihrer Paläoumwelt innerhalb großer Gebiete. Häufig werden diese Arbeiten anhand von geophysikalischen Messungen (siehe auch die Blogbeiträge von Petra Schneidhofer), Fernerkundungsdaten (Luftbilder und Laserscans) wie auch durch die bereits erwähnte Feldbegehung durchgeführt.

Grabhügel, Befestigungswälle und -gräben, Ruinen, Hohlwegbündel und vieles mehr gehören zu Fundstellen, welche häufig auch oberflächlich wahrgenommen werden können. Sie heben sich vom umgebenden Relief ab und sind so als archäologische Strukturen zu erkennen. Haben sich spezifische Höhen einer Fundstelle erhalten, besteht die Chance, diese Höhenwerte auch auf der Erdoberfläche zu entdecken. Zu Prospektionszwecken werden daher häufig hochauflösende digitale Geländemodelle genutzt. So auch in diesem Projekt.

Die Ausgangsdaten, abgeleitet aus flugzeuggetragenen Laserscanaufnahmen, wurden dabei vom Land Oberösterreich – einem Kooperationspartner des Projektes – zur Verfügung gestellt. Sie dienen als Berechnungsbasis verschiedener speziell für archäologische Zwecke entwickelter Reliefvisualisierungen. Gemeinsam wurden diese Darstellungen nun in einem GIS durchsucht. Auf diesem Wege konnten zahlreiche archäologische Fundstellen erkannt und dokumentiert werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen – eine archäologische Fundstellenkartierung der Region – liefern uns somit einige Ziele für unsere Feldforschung.

Prähistorische Siedlungsumfelder analysieren

Eine weitere Möglichkeit, die Landschaft im Vorfeld einer Prospektion zu untersuchen, ist die Erstellung eines sogenannten Vorhersagemodells ("Predictive Model"). Ziel eines solchen Modells ist es, archäologische Verdachtsflächen in der Landschaft zu definieren. Diese können durch weitere Feldbegehungen, Geoprospektionen und unterwasserarchäologische Untersuchungen genauer inspiziert werden. Es handelt sich um eine Voruntersuchung, in der versucht wird, die Landschaft in Verbindung mit den Fundstellen besser zu verstehen.

Um ein aussagekräftiges Vorhersagemodell aufbauen zu können, muss zuerst das Siedlungsverhalten der Menschen aus der jeweiligen Epoche untersucht werden. Im Fall der jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlungen vom Attersee und Mondsee wurden also im ersten Schritt die bereits bekannten Fundstellen an den Seeufern in Zusammenhang mit ihrem Umfeld betrachtet. Diese Untersuchungen der Siedlungsumfelder nennt man "Site Catchment Analyses".

Archäologische Verdachtsflächen entdecken

Mithilfe eines Geoinformationssystems und verschiedener Geodaten können Berechnungen, wie die Gangbarkeit des Geländes oder die durchschnittliche Sonneneinstrahlung im Jahr innerhalb eines Untersuchungsgebietes, durchgeführt werden.

Diese Untersuchungen zeigen, welche Eigenschaften die Landschaft um die Seeuferzonen, an denen die Fundstellen liegen, besitzt. Damit können gemeinsame Landschaftsmerkmale in Verbindung mit Pfahlbausiedlungen ausgearbeitet werden. Legen wir nun diese Merkmale auf die gesamte Landschaft um, ergeben sich Seeuferzonen, die ähnlich gute Voraussetzungen für den prähistorischen Menschen bieten, und andere, die sich weniger gut eignen. So ergeben sich unsere archäologischen Verdachtsflächen.

Landschaftsarchäologische Interpretation

Die Krux an der Sache ist nur, dass wir nicht genau wissen, welche Gründe den jungsteinzeitlichen Menschen bewogen haben, sich an gewissen Orten niederzulassen und an anderen nicht. Gehen wir von einer sich selbst erhaltenden Gesellschaft von Ackerbauern und Viehzüchtern aus, müsste das Umfeld der Seeufersiedlungen gute Bedingungen für Ackerbau und Viehzucht bieten.

Doch es lassen sich bereits Fundstellen am Attersee und Mondsee ausmachen, an denen diese Voraussetzungen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen gegeben sind.

Raus ins Feld

Wieso siedelten Menschen hier? Welchen Nutzen brachte ihnen diese Lage? Mit diesen Fragen kommen wir zu der wirklich spannenden Arbeit im Projekt. Jetzt kommen größere Zusammenhänge zwischen Seeufern und dem Hinterland ins Spiel. Etwa die mögliche Kontrolle von Handelsrouten, die Nähe zu strategischen Wasserwegen, die Sichtbarkeit zwischen Seeufersiedlungen und Höhensiedlungen. Um diese Aspekte der Landschaft zu untersuchen, müssen wir die Seeufer und deren nähere Umgebung verlassen und das große Ganze betrachten. Darum gehen wir nun also ins Feld und suchen nach weiteren Fundstellen, die wir in Verbindung mit den neolithischen Seeufersiedlungen bringen können.

Nach unseren GIS-Analysen steht als nächster logischer Schritt auf unserer Projektagenda eine archäologische Feldbegehung. Der Frühling ist bereits allgegenwärtig. Frisches Grün sprießt aus der Erde. Doch bevor die Natur die letzten kargen Flächen wieder mit Leben füllt, gehen wir Archäologen nochmal, im wahrsten Sinne des Wortes, ins Feld.

Idealer Zeitpunkt für Feldarbeit

Archäologische Feldbegehungen dienen zum Studieren von archäologischen Denkmälern und sind meist fixer Bestandteil jeder archäologischen Forschungsarbeit. Es gilt, zahlreiche Fundstellen (un)bekannter Zeitstellung und/oder Funktion in Augenschein zu nehmen, zu überprüfen und zu dokumentieren. Als Zeitpunkt für Feldbegehungen wird oft das Frühjahr oder aber auch die Herbstzeit genutzt, also zu Beginn und Ende der Pflanzenwachstumsphasen. Mitunter kann sich auch der Winter, sofern kein Schnee die Fundstellen eindeckt, für archäologische Untersuchungen eignen.

Der April ist demnach ideal, um unsere Feldarbeit im oberösterreichischen Salzkammergut durchzuführen. Wir sind also startklar und gespannt, was auf uns zukommt. Es wird Zeit, die festen Schuhe anzuziehen und sich wetterfest einzukleiden, denn der April tut ja bekanntlich, was er will. Die Jause ist gepackt, Notizblock und Kamera als Dokumentationshilfe und Berichtsstütze sind gezückt. Los geht's! (Julia Klammer, Helena Seidl da Fonseca, 27.4.2017)