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Wo haben Macron und Le Pen am besten abgeschnitten?

Ein Blick auf die Landkarte zeigt: Beinahe die Hälfte des Landes hat in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen mehrheitlich für die Rechtspopulistin Marine Le Pen gestimmt. Die andere, etwas größere Hälfte für den sozialliberalen Reformer Emmanuel Macron.

Le Pen konnte vor allem in den verarmten früheren Industrieregionen des Nordens absahnen sowie im strukturschwachen Süden, entlang der Mittelmeerküste und auf Korsika. Das deckt sich in etwa mit den Regionen, in denen Le Pens rechtsextreme Partei, die Front National, traditionell viele Wähler überzeugen kann. Macrons Hochburgen sind unter anderem die Bretagne und Paris sowie generell der Westen Frankreichs entlang der Atlantikküste.

Ihr bestes Ergebnis fuhr die Rechtspopulistin im nördlichen Departement Aisne ein. In der ländlich geprägten Region nahe Belgien stimmten 35,67 Prozent für Le Pen und somit etwa doppelt so viele wie für Macron, der mit 17,94 Prozent auf Platz 2 landet. Prozentual die meisten Macron-Wähler gab es in der Hauptstadt. 34,83 Prozent der Pariser Wähler stimmten für den Polit-Jungstar und nur 4,99 Prozent für Le Pen.

Kann Le Pen Präsidentin werden?

Laut Umfragen nicht. Für die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahl in zwei Wochen sehen die Umfragen Macron klar vor Le Pen. In einer Befragung des Instituts Harris Interactive vom Sonntagabend lag Macron bei 64 Prozent, Le Pen bei 36 Prozent. Das Institut Ipsos sah Macron für die Stichwahl bei 62 Prozent und die Front-National-Chefin bei 38 Prozent.

Politiker der unterlegenen Lager riefen zur Wahl Macrons in der zweiten Runde auf. Auch Präsident François Hollande und Regierungschef Bernard Cazeneuve appellierten an ihre Landsleute, für Macron zu stimmen und dem Front National eine Niederlage zu bereiten. Der konservative Kandidat François Fillon, der mit 19,9 Prozent an dritter Stelle lag, sagte am Sonntag: "Es gibt keine andere Wahl, als gegen die extreme Rechte zu stimmen." Nur der linke Kandidat Jean-Luc Mélenchon sprach für 7. Mai keine Empfehlung aus. Er erreichte am Sonntag 19,6 Prozent. Die Wahl ist aber gelaufen, wenn die Wahl gelaufen ist. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist, dass manche Wähler in zwei Wochen zu Hause bleiben könnten.

Außerdem muss Macron aufpassen, dass er nicht auf den letzten Metern patzt. Zwar hat er zwei Jahre lang als Wirtschaftsminister unter Francois Hollande Regierungserfahrung gesammelt. Doch ein gewähltes Amt hatte der 39-Jährige noch nie.

Le Pen fuhr das historisch beste Ergebnis des rechtsextremen Front National ein. Warum?

Populistische Politik hat derzeit Hochkonjunktur. In Frankreich konnten davon vor allem Le Pen und der rechtsextreme Front National profitieren. Marine Le Pen hat ihrer Partei seit der Übernahme von ihrem Vater Jean-Marie im Jahr 2011 ein gemäßigteres Auftreten verordnet und offenen Rassismus zurückgedrängt, um breitere Wählerschichten ansprechen zu können. Das Konzept ist anscheinend aufgegangen. Sie hat am Sonntag nach Zahl der Stimmen das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer Partei erzielt.

Die hohe Arbeitslosenquote von zehn Prozent ist eines der größten Probleme Frankreichs. Bei jungen Leuten liegt die Quote sogar bei 23,6 Prozent. Die Wähler sind enttäuscht von ihren Regierenden. Der FN bietet einfache Antworten: Neben den abgehobenen Eliten sind die "massiven Einwanderung" und auch die "Technokraten" aus Brüssel schuld an Frankreichs Problemen. Frankreich hadert mit diversen EU-Vorgaben. Wegen der Wirtschaftsflaute sprengte Paris die im Euroraum vereinbarte Defizitgrenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Le Pens scharfe Attacken auf "die Kaste" fallen in Frankreich vielleicht auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil das System der Elitehochschulen lebenslange Seilschaften fördert. Zahlreiche Politik- und Wirtschaftsführer kommen etwa von der Verwaltungshochschule ENA – bis hin zu Staatschef Hollande. Auch Macron war übrigens an dieser Eliteschule.

Vaterland Frankreich also gerettet?

Macron bekommt Unterstützung von links und rechts. Das könnte ihn in den Élysée-Palast bringen, aber er wird seinen Sieg bei den Parlamentswahlen im Juni bestätigen müssen. Die von Macron erst vor einem Jahr gegründete Bewegung En Marche! ist dort bislang nicht vertreten. Da die Partei sehr jung ist, steht ihm auch kein ordentlicher Parteiapparat zur Verfügung.

Damit können die Parlamentswahlen im Juni zum Rückspiel werden. Der Front National, bisher nur zwei Sitze stark, könnte 40 Mandate holen, heißt es. Zudem ist sie im Gegensatz zu En Marche! inzwischen in vielen Regionen bestens verankert, zum Teil auch mit eigenen Bürgermeistern.

Bekommt Macron keine Mehrheit für seine Politik, könnte das Regieren heikel werden. Vermutlich müsste Macron sich in der Nationalversammlung Koalitionspartner suchen, etwa bei Vertretern des rechten Sozialistenflügels um Ex-Premier Manuel Valls, oder sich mühsam für einzelne Reformvorhaben eine Mehrheit zusammensuchen.

Macron rief in seiner Rede am Wahltag bereits seine Anhänger dazu auf, ihm die nötige parlamentarische Mehrheit zu verschaffen. Frankreich wählt am 11. und 18. Juni ein neues Parlament.

Kann die EU wie bisher mit Macron auf Frankreich als Partner zählen?

Macron ist ein proeuropäischer Kandidat, im Gegensatz zu Marine Le Pen, die als Präsidentin binnen sechs Monaten ein Referendum über das Ausscheiden ihres Landes aus der EU organisieren will. Doch Macron fügt hinzu: "Europa muss sich auch ändern." Er will Bürgerkonvente auf dem ganzen Kontinent einberufen, um "dem europäischen Projekt wieder eine Richtung zu geben". Zudem stellt sich Macron klar hinter weitreichende Reformideen für die Eurozone, die unter anderem einen eigenen Haushalt bekommen soll. Hier könnte er mit der in der EU maßgeblichen deutschen Kanzlerin Angela Merkel aneinandergeraten, die keine weitreichenden EU-Reformen will.

Außerdem Grund zur Sorge aus Sicht der EU: Die Stimmung in Frankreich. Wenn man die Stimmen für den linksgerichteten Europakritiker Jean-Luc Melenchon hinzurechnet, haben etwa 40 Prozent der Wähler für EU-skeptische bis -feindliche Kandidaten votiert. (mhe, red, 24.4.2017)