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Am Protestmarsch in Caracas beteiligten sich Tausende Menschen.

Foto: AP/Ariana Cubillos

Caracas – Mit Schweigemärschen haben Venezolaner im ganzen Land gegen Präsident Nicolas Maduro protestiert. Die in weiß gekleideten Oppositionsanhänger versammelten sich am Samstag in vielen Städten, um zu den dortigen Bischofssitzen zu marschieren. In der Hauptstadt Caracas bewachten Polizei und Nationalgarde neuralgische Punkte, an denen es in den vergangenen Tagen zu Ausschreitungen gekommen war.

Einige Demonstranten beteten still, andere trugen christlich inspirierte Transparente oder Bilder. "Ich habe keine Angst", sagte die 33-jährige Jessica Muchacho. "Wir haben nichts zu verlieren. Die Regierung hat schon alles genommen, jede Möglichkeit, unser Leben in Würde zu leben". Die nächste Großkundgebung ist für diesen Montag geplant.

Angespannte Lage

Die Demonstrationen finden in einer äußert angespannten Lage statt. Seit der zeitweisen Entmachtung des Parlaments erlebt das Land die heftigsten Proteste seit 2014 – damals starben 43 Menschen. Die Demonstranten fordern Neuwahlen und die Absetzung des sozialistischen Präsidenten Maduro, dem sie die Vorbereitung einer Diktatur vorwerfen. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt (rund 300 Milliarden Barrel – ein Barrel entspricht 159 Liter) ist seit dem Fall des Ölpreises in die tiefste Krise seiner Geschichte gerutscht.

Bei Unruhen, Protesten und Plünderungen starben seit Anfang April mindestens 21 Menschen. In der Nacht zum Freitag war es im Viertel La Valle im Südosten von Caracas zu dramatischen Szenen gekommen. Demonstranten und Polizisten lieferten sich Straßenschlachten, es kam zu Plünderungen, ein Kinderkrankenhaus musste evakuiert werden. Seit dem Ausbruch der Proteste am 4. April seien mindestens 1.289 Menschen festgenommen worden, teilte der Direktor der Organisation Foro Penal Venezolano, Alfredo Romero, mit. Foro Penal ist ein Zusammenschluss von 200 Anwälten, die sich um die Betreuung von Gefangenen kümmern.

Ölförderung eingebrochen

Es wird kaum noch etwas produziert; auch die Ölförderung ist eingebrochen. Wegen der Bedienung der Auslandsschulden und der höchsten Inflation der Welt können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden, die in Euro oder Dollar zu bezahlen sind. 2016 brach die Wirtschaftsleistung um 18 Prozent ein. Rund 95 Prozent der Staatseinnahmen macht der Ölexport aus – in Zeiten niedriger Preise erweist sich diese Abhängigkeit als fatal.

Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami rief das Volk zur "maximalen Mobilisierung" gegen einen möglichen Putsch auf: "Die Rechte ist voller Hass, sie erzeugt eine neue terroristische Spirale, ein Komplott mit Verbrechen, sie benutzen kriminelle Banden, um ein friedliches Volk zu attackieren." Auch vonseiten der gegen die Regierung demonstrierenden Menschen wird zunehmend Gewalt eingesetzt, immer wieder fliegen Molotowcocktails und es brennen Barrikaden.

Parlamentspräsident Julio Borges meinte hingegen mit Blick auf die Bewaffnung von 500.000 Milizen und die Brandmarkung der Demonstranten als Terroristen, dass allein Präsident Maduro verantwortlich für die Eskalation sei. "Die Gewalt hat einen Namen: Nicolas Maduro." Die Regierung verhindere, dass das Volk an den Urnen entscheide.

Die Amerika-Direktorin von Amnesty International, Erika Guevara Rosas, meinte: "Venezuela entwickelt sich zu einem Land, wo die Anstrengungen zu Repression die Anstrengungen zum Schutz der Bürger übertreffen." Die Opposition rief das Militär zum Bruch mit Maduro auf. "Gehen Sie nicht mit der Titanic Maduros unter", appellierte Parlaments-Vizepräsident Freddy Guevara an die Adresse von Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Angesichts der Gewalt im ganzen Land forderte auch der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, Luis Almagro, Maduro auf, die Milizen abzuziehen, die auf Motorrädern Demonstranten attackieren. (APA, 22.4.2017)