825 Seiten umfasst die Buwog-Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Darin befindet sich auch ein dreiseitiges Bewegungsprofil von Karl-Heinz Grasser.

Foto: apa/Robert Jäger

Wien – Die Causa Buwog / Terminal Tower, gut bekannt auch als Causa Grasser, hat Potenzial, in die Annalen der österreichischen Rechtsgeschichte einzugehen. Nicht nur, dass unter den 15 Angeklagten (einer ist durch die Einstellung eines Anklagepunkts durchs Oberlandesgericht Wien weggefallen) auch ein ehemaliger Finanzminister ist, eben Karl-Heinz Grasser. Auch die Umfänge der Strafsache sind beträchtlich, in jeder Hinsicht.

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Acht Jahre wurde bekanntermaßen ermittelt, jede Menge Konten wurden nach jeder Menge Rechtshilfeersuchen geöffnet (und eingefroren) – und die Anwälte der nunmehrigen Angeklagten haben alle Register gezogen, um die Rechte ihrer Mandanten zu wahren. Mit dieser Flut von Rechtsmitteln begründet die Justiz auch die lange Verfahrensdauer – wobei die Gegenseite auch dagegen Argumente in die Waagschale wirft. Es sei gar nicht so leicht, Banker vom Bankgeheimnis zu entbinden, behaupten sie, zum Teil habe man sich als Kunde ihnen gegenüber verpflichten müssen, genau das nicht zu tun. Andernfalls hätten die Institute um ihr Geschäftsmodell (Diskretion und Steueroptimierung) gefürchtet.

Wie auch immer, heute füllt der Akt Buwog (in Papierform) ein ganzes Zimmer. Allein die Schriftsätze füllen Aktenband um Aktenband – schon die Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) umfasst 825 Seiten. In dem Schriftsatz findet sich vom dreiseitigen Bewegungsprofil Grassers, seiner Frau und seiner Schwiegermutter (aus einigen Tagen im Jahr 2006) bis hin zu Abhörprotokollen, Organigrammen und Zeichnungen von Geldflüssen alles, was einen Finanzkrimi ausmacht.

Buntes Indizienmosaik

Und so penibel, wie die Staatsanwälte ihre Rechercheergebnisse (und die des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung) zu einem riesigen, bunten Indizienmosaik zusammengefügt haben, agieren auch die Anwälte, wie ein Jurist beobachtet hat. Auch sie würden in ihren Eingaben und Rechtsmittelschriftsätzen jedes Detail und jede Eventualität vermerken, "um nur ja nichts auszulassen, keinen Fehler und sich selbst nicht angreifbar zu machen".

Wobei auch das Oberlandesgericht Wien in seiner jüngsten Entscheidung zu den Anklageeinsprüchen nicht gerade gekleckert hat. Der Beschluss des Senats, der dem STANDARD vorliegt, umfasst wie berichtet 167 Seiten – und die drei Richter warten mit erstaunlicher Schreibgewalt auf. Ihre Aufgabe war es ja, die Argumentationskette der WKStA auf ihre Haltbarkeit zu testen und zu prüfen, ob eine Verurteilung wahrscheinlich erscheint. Und diese Untersuchung materialisiert sich in Sätzen, die bis zu zwei A4-Seiten lang sind, mit Einsprengseln aus Zeugenaussagen, Beschuldigteneinlassungen und anderem Beiwerk.

OLG spielt Ball zurück

Wobei die WKStA im OLG-Beschluss auch durchaus ihr Fett abbekommt. So mute es laut OLG durchaus "ungewöhnlich" an, dass die WKStA Zeugen deren "verschriftlichte" Aussagen erst "teils Wochen oder gar Monate später (!) zur Einsicht" geschickt habe, wie Grassers Anwalt in seinem Einspruch gegen die Anklage kritisierte. Allerdings spielt das OLG den Ball zurück und lässt das Argument nicht gelten: Der Verteidiger Grassers hätte sich ja "zu gegebener Zeit" nach dem Verbleib der Protokolle erkundigen können, heißt es im Beschluss.

Kritik auch rund um die Feststellungen der WKStA beim Verkauf der Buwog. Da beziehe sich die Behörde in einer Passage ihrer Schilderungen ganz allgemein auf die "Sammlung der Vernehmungsprotokolle" bestimmter Ordnungsnummern. Das habe "die Umstände der Überprüfung (durchs OLG, Anm.) der umfangreich erhobenen Anklagevorwürfe mehr als erschwert. Teils beschränkte sich die Anklageschrift auf die Wiedergabe (bloßer) Mutmaßungen und/oder Schlussfolgerungen ohne konkrete Benennung der Darlegung der diesen zugrunde liegenden Indizien und Erwägungen", kritisiert das Oberlandesgericht.

Abseits dessen gibt es der WKStA aber in den meisten Punkten recht – was allerdings gar nichts darüber aussagt, wie das Verfahren dereinst ausgehen wird. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt bekanntermaßen die Unschuldsvermutung, und die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe der Untreue und Korruption von jeher. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil wird es aber noch Jahre dauern.

Frühestens im Herbst nämlich wird die Buwog-Hauptverhandlung beginnen, und unter einem Jahr (wie bei der Bawag) wird da nichts gehen. Dann braucht es Monate bis zur Urteilsausfertigung – und weitere Monate bekommen die Anwälte danach, um ihre Rechtsmittel vorzubereiten und einzubringen.

Erst wenn all das geschehen ist, beschäftigen sich die Generalprokuratur (als Ratgeberin des Obersten Gerichtshofs, OGH) mit der Sache und dann der OGH als zweite und letzte Instanz. Ob das noch 2019 der Fall sein wird, wagt man in der Justiz nicht zu prognostizieren. (Renate Graber, 20.4.2017)