Nicht nur vor Gericht, auch auf der Straße bei Demonstrationen wird gegen Rassismus angegangen.

foto: apa/karmann

Wien – Das dem Standard vorliegende Urteil sei "richtungsweisend", sagt Andrea Ludwig vom Klagsverband, einer NGO, die Opfer von Diskriminierung unterstützt. Erstmals in Österreich sei einem Kläger von einem Gericht wegen einer nur einmaligen rassistischen Beleidigung laut Gleichbehandlungsgesetz Schadenersatz zuerkannt worden.

Bisher sei dies nur nach einer sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Vielzahl von Anwürfen oder nach mobbingähnlichen Dauerzuständen erfolgt. Auf vergleichbare Fälle einmaliger verbaler Diskriminierung, aus rassistischen, sexistischen, homosexuellen- sowie behindertenfeindlichen Gründen werde der Spruch Einfluss haben.

Erste Instanz lehnte ab

Konkret hat das Oberlandesgericht (OLG) Innsbruck am 14. März 2017 einem in Österreich lebenden Brasilianer 1500 Euro samt acht Prozent Zinsen zuerkannt. Grund dafür: Ein Kollege hatte ihn als "Neger" beschimpft – und damit ein den Schadenersatzanspruch abweisendes Urteil des Innsbrucker Arbeits- und Sozialgericht vom November 2016 aufgehoben. Das OLG-Erkenntnis könnte nur durch eine außerordentliche Revision aufgehoben werden.

Durch die Beleidigung sowie durch die ausgebliebene Unterstützung durch Vorgesetzte habe sich das Arbeitsklima für den dunkelhäutigen Mann massiv verschlechtert, befand das OLG. Ein "verpöntes Umfeld" sei entstanden: juristisch gesprochen eine "von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen" gekennzeichnete Situation.

"Besonders schwerwiegendes Verhalten"

Zwar verursache ein einmaliges Verhalten "in der Regel" keine solche Lage. Doch "im Einzelfall" könne auch "ein besonders schwerwiegendes einmaliges Verhalten" dazu führen. So laut Oberlandesgericht auch in diesem Fall, der sich am 13. Juni 2015 in einer Tiroler Hotelküche abspielte. Gegen 8,30 Uhr an diesem Tag habe sich der als Frühstückskellner beschäftigte Brasilianer dort an den Küchen-Souschef gewandt.

Mit der neutralen, wenn auch knappen Aufforderung "Rührei" habe er eine diesbezügliche Bestellung fürs Frühstückbuffet aufgegeben. Im täglichen Stress sei solch Wortkargheit an der Tagesordnung gewesen, sagte er später vor Gericht.

Zwei Kollegen als Zeugen

Der stellvertretende Küchenchef jedoch habe höchst unangebracht reagiert: "Ich schmeiße dir das Rührei auf den Kopf, du hässlicher Neger", habe er entgegnet. Ein Abwäscher und ein weiterer Kellner seien Zeugen gewesen.

Zuerst habe er die Beleidigung schweigend hingenommen und weitergearbeitet, schilderte der Brasilianer beim Verfahren vor dem Innsbrucker Arbeits- und Sozialgericht. Dann habe er den zuständigen Abteilungsleiter um Hilfe ersucht. Doch dieser habe sich nicht einmischen wollen. Auch die Oberkellnerin und der Personalchef hätten ihm nicht weitergeholfen. Als Ausweg sei ihm nur die Kündigung geblieben.

"Aus der Zeit der Versklavung"

In der Folge rief der Kellner mithilfe der Tiroler Antirassismusgruppe Tigra die Gleichbehandlungsanwaltschaft an und erstattete gegen den Souschef Strafanzeige. In seiner Rechtsrüge gegen die Abweisung seiner Klage in erster Instanz weist er unter anderem auf die Herkunft des Begriffs "Neger" hin. Dieser stamme "aus der Zeit der Versklavung und Kolonialisierung", gehe "mit Brutalität, Verwundung und Schmerzen" einher – und sei dementsprechend beleidigend.

Dass in diesem Fall Schadenersatz zuerkannt wurde, freut denn auch Tina Malandi, Leiterin der Beschwerdestelle des Wiener Antirassismusvereins Zara. Damit habe sich "die Judikatur laut Gleichbehandlungsgesetz in Österreich weiterentwickelt", sagt sie. (Irene Brickner, 22.4.2017)