Bild nicht mehr verfügbar.

Professor Mark Post präsentiert 2013 das erste vollständig im Labor gezüchtete Fleischlaibchen. Rund 20.000 Proteinstränge aus Rinderstammzellen ergaben letztlich dieses Stück Laborfleisch.

Foto: REUTERS/Pool

Jürgen König leitet das Department für Ernährungswissenschaften an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien.

Foto: Jürgen König

Veronika Somoza steht dem Institut für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie an der Fakultät für Chemie der Universität Wien vor.

Foto: Veronika Somoza

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte weist in Artikel 25 diese Passage auf:

"Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen".

Das Recht auf Nahrung ist also ein fundamentales Menschenrecht, das Jean Ziegler als das Recht aller Menschen, in Würde und frei von Hunger, Lebensmittelunsicherheit und Unterernährung zu leben, interpretiert. Frei von Lebensmittelunsicherheit bedeutet also einen ausreichenden Zugang zu sicheren und leistbaren Lebensmitteln. Frei von Unterernährung bedeutet ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln, die alle Nährstoffe in ausreichender Menge liefern. Hierbei stellt sich nun die Frage, ob dieses Recht auf Lebensmittel auch für Fleisch gilt – eine Option, über die wir in Europa ohne große Einschränkungen verfügen, während das für viele Länder weltweit kaum in diesem Maße gilt. Wenn wir dieses Recht für uns in Anspruch nehmen, muss das auch in ähnlichem Ausmaß für alle Menschen der Welt möglich sein. Aber lässt sich dieser Anspruch in ethisch, ökologisch und ökonomisch vertretbarer Form überhaupt erfüllen? Falls ja, was kann ein Labor dafür leisten?

Alternativen zu Fleisch sind aus mehreren Gründen relevant: Die natürlichen Ressourcen und die Produktionskapazitäten werden nicht ausreichen, die steigende Nachfrage nach Fleisch zu decken, nachdem bereits jetzt ein beträchtlicher Anteil an fruchtbaren Flächen für die Fleischproduktion verwendet wird. Der Einfluss von Tierhaltung zur Fleischproduktion auf die Umwelt wird mit wachsender Besorgnis betrachtet, und die Massentierhaltung führt zu ethischen Problemen hinsichtlich Tierwohl, aber auch der menschlichen Gesundheit.

Was ist im Labor machbar?

Mögliche Alternativen sind Fleischersatzprodukte aus pflanzlichen Quellen, zum Beispiel sogenannte texturierte pflanzliche Proteine auf Sojabasis, Weizenproteine – auch bekannt als Seitan – oder Pilzproteine vulgo Quorn. Diese Produkte ermöglichen zwar eine effiziente Produktion an Eiweiß mit vertretbarem CO2-Footprint, können bislang aus technologischen Gründen aber nur zu einem fleischähnlichen Produkt mit deutlich unterschiedlichen sensorischen Eigenschaften verarbeitet werden. Eine andere Möglichkeit wäre die Verwendung von Insekten als Eiweißquelle. Sie verfügen über eine äußerst hohe Biokonversionsrate, die im Wesentlichen die Umsetzung des Insektenfutters für in den Menschen verwertbare Nährstoffe wie Eiweiß und Fett beschreibt. Dennoch haben Insekten als Nahrungsmittel derzeit noch eine schlechte Akzeptanz in bestimmten Kulturkreisen. Daher sehen einige Wissenschafter in der Kultivierung von Fleischmuskelzellen eine interessante Alternative.

Ersetzen wir das Fleisch

Hierbei ist die Biotechnologie zunächst allerdings mit zwei Problemen konfrontiert: Zum einen müssen Skelettmuskelzellen aus Satellitenzellen in ausreichender Menge produziert werden, zum anderen müssen diese Zellen sich dann auch zu den eigentlichen Muskelzellen ausdifferenzieren. Beide Prozesse hängen von einer Vielzahl an derzeit noch wenig verstandenen Einflussfaktoren ab. Die Differenzierung zu Muskelzellen etwa benötigt metabolische, biochemische und mechanische Reize, wobei letztere offensichtlich besonders für die Ausbildung der fleischspezifischen Mikroarchitektur wichtig sind. Schließlich müssen die so gewonnenen Zellen auch noch in ein Gel aus Bindegewebe eingebettet werden, um eine fleischähnliche Struktur zu erzeugen.

Mit diesen Methoden ist es möglich, ein fleischähnliches Produkt zu erzeugen, allerdings derzeit noch in sehr kleinen Mengen bei relativ großem Aufwand. Bekannt geworden ist dieses Konzept unter dem Begriff In-vitro-Burger, nachdem ein erstes Produkt 2013 prominent in London verkostet wurde. Allerdings sagt selbst Mark Post, der prominenteste Wissenschafter, der sich mit dieser Technologie beschäftigt, dass es noch ein weiter Weg bis zur Massenproduktion ist. Vor allem die Qualitätskontrolle der Kultivierung von Zellen und Geweben von Säugetieren, die Aufrechterhaltung der Sterilität in diesen Kulturen sowie die Vermeidung von Kontaminationen und Krankheitserregern, aber auch die kontrollierte Zucht von Tieren als Spendern der notwendigen Stammzellen stellen große Herausforderungen dar.

Was halten Sie von diesen Fleischalternativen?

Würden Sie einen In-vitro-Burger essen? Ist der technologische Aufwand für Sie vertretbar, und vertrauen Sie den biotechnologischen Grundlagen? Wie weit geht für Sie das Menschenrecht auf sichere Lebensmittel? Nutzen Sie die Gelegenheit, und äußern Sie Ihre Meinung zum Thema! Einige Ihrer Postings werden in einem Folgeartikel aufgegriffen und diskutiert. (Jürgen König, Veronika Somoza, 25.4.2017)