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Blutbefleckte Fahne bei einer Gedenkveranstaltung in athen

Foto: AP/Yorgos Karahalis

Athen – 21. April 1967. Es ist ein Tag, den viele ältere Griechen nicht vergessen werden, solange sie leben. Mitten in der Nacht bebte die Erde: Überall wurden Panzer gesichtet. Bewaffnete Soldaten, Offiziere mit der Pistole in der Hand patrouillierten auf den Straßen. "Sofort rein ins Haus, los jetzt, jetzt", schrien die jungen Offiziere, wenn sie Passanten auf der Straße sahen.

Manchmal wurden sogar ein paar Schüsse in die Luft abgefeuert. ""Praxikopima" (Staatsstreich)", hieß es überall. Aber wer steckt dahinter, fragten sich die Menschen. Es dauerte nicht lange, da ertönte im Radio Marschmusik. Und dann immer wieder die Bekanntmachung: "Die Streitkräfte des Landes haben die Macht übernommen", sagte ein Ansager mit metallisch klingender Stimme.

Grund: Es lauerten angeblich Gefahren für die Sicherheit des Landes. Innere Feinde seien am Werk. Mehrere Verfassungsartikel wurden ausgesetzt, Parteien verboten, Versammlungen mit mehr als drei Personen untersagt, Zeitungen zensiert und eine Ausgangssperre für die ersten Tage verhängt. "Wer sich nicht daran hält, muss wissen: Es wird sofort und ohne Vorwarnung geschossen", hieß es im Radio immer wieder.

Linke und Politiker aus fast allen Parteien wurden in den Tagen, Monaten und Jahren danach von Sonderkommandos in ihren Wohnungen festgenommen und in Stadien und Gefängnisse gebracht. Viele wurden verbannt und landeten später auf unbewohnten Inseln der Ägäis oder in abgelegenen Gebirgsdörfern auf dem Festland.

Kontakte zur CIA

Bald wurden die Namen der Putschisten bekannt. Ihr Anführer war Oberst Georgios Papadopoulos, ein Mann, der enge Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst CIA gepflegt haben soll. Wie weit Washington damals am Putsch beteiligt war, ist heute noch unklar. Jedenfalls duldeten die USA die Diktatur. Sie brauchten damals ihre griechischen Stützpunkte und Abhörstationen, nicht nur wegen des Kalten Krieges, sondern auch wegen der arabisch-israelischen Kriege 1967 und 1973.

Der Putsch kam nicht aus heiterem Himmel. Der Machtergreifung der Obristen war ein endloser politischer Streit vorausgegangen: Zwischen dem Königshaus, den Konservativen und den Mitte-Links-Parteien herrschte kontinuierlich Ärger. Populisten auf beiden Seiten trieben das Land in immer neue und tiefere Krisen. Demonstranten starben auf den Straßen. Ein linker Politiker wurde ermordet.

Papadopoulos und seinen Komplizen gelang es in diesem Klima der Verunsicherung, alle zu überraschen und binnen weniger Stunden das Land zu kontrollieren. Der damals 25 Jahre alte und unerfahrene König Konstantin II. machte einen groben politischen Fehler und vereidigte die Obristenjunta. Er habe einen Bürgerkrieg abwenden wollen, sagt er immer wieder, wenn er darauf angesprochen wird. Wenige Monate später begriff Konstantin, dass er endgültig das Vertrauen der Griechen verloren hatte. Er versuchte mit einem schlecht organisierten operettenhaften Gegenputsch, die Obristen zu stürzen. Das schlug fehl und Konstantin ging ins Exil.

Widerstand

Die Europäer legten nach dem Staatsstreich die griechische Kandidatur für den Ausbau des Assoziierungsabkommens und die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (die heutige EU) auf Eis. Athen wurde vom Europarat ausgeschlossen. Viele Griechen leisteten Widerstand. Als Höhepunkt gilt ein Studentenaufstand, der am 17. November 1973 blutig niedergeschlagen wurde.

Das Ende der Obristenjunta kam unter dramatischen Umständen im Juli 1974: Unter den Obristen herrschte Streit, und ein neuer Anführer, Dimitrios Ioannidis, stürzte Papadopoulos nach dem Studentenaufstand. Ioannidis war ein "mysteriöser, aus dem Hintergrund agierender Typ", sagen Menschen, die ihn kannten. Er brauchte dringend einen Erfolg. Er befehligte eine "naive und verräterische Aktion", wie Historiker es nennen: Die Junta von Athen lancierte am 15. Juli 1974 einen Putsch auf Zypern, um die Insel an Griechenland anzuschließen. Damit öffnete sie das Tor für eine türkische Militärintervention am 20. Juli 1974 – zum Schutz der türkisch-zyprischen Minderheit (damals 18 Prozent der Bevölkerung). Seitdem ist Zypern geteilt und gilt als ein Konflikt, der nur ganz schwer zu lösen ist.

Die Obristen gerieten nach dem Zyperndebakel in Panik. Das Regime rief den im Exil in Paris lebenden konservativen Politiker Konstantinos Karamanlis (1907-1998) nach Athen zurück. Dieser bildete eine Regierung der Nationalen Rettung und führte das Land binnen weniger Monate zurück zur Demokratie. Die Monarchie wurde bei einer Volksabstimmung abgeschafft. Die Anführer des Putsches wurden zum Tode verurteilt, die Strafe wurde jedoch sofort in lebenslänglich umgewandelt. Alle sind inzwischen gestorben. Reue zeigten sie nie.

Für Griechenland begann eine lange Zeit der politischen Normalität, die das Land in seiner turbulenten Geschichte noch nie erlebt hatte. Eine verglichen mit allen Nachbarn gut funktionierende Demokratie verwandelte das Land in einen Hort der Stabilität im östlichen Mittelmeer.

Wieder am Scheideweg

Heute befindet sich Griechenland erneut an einem Scheideweg. Die schwere Finanzkrise hat die politische Landschaft verändert. Große etablierte Traditionsparteien wie die Sozialisten laufen Gefahr, von der politischen Landkarte zu verschwinden. Radikale Kräfte, Populisten aller Art und auch Rechtsextremisten kommen wieder ans Tageslicht. Einzige Hoffnung für die meisten Griechen bleibt die EU-Mitgliedschaft, wie zahlreiche Umfragen zeigen. (APA, 20.4.2017)