Peter Pilz: Erdoğan-Gegnern drohen bei der Einreise in die Türkei Schwierigkeiten.

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Das Türkei-Referendum, bei dem 73,2 Prozent der Teilnehmer in Österreich und 63,1 Prozent in Deutschland für die Umwandlung in eine Präsidialrepublik stimmten (die Beteiligung lag bei 50,59 beziehungsweise 48,73 Prozent), hat eine Debatte über Doppelstaatsbürgerschaften ausgelöst. Während in Deutschland CDU-Vizechefin Julia Klöckner gegen den Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Einziehung der "Doppelpässe" zum Wahlkampfthema machen will, fordert in Wien der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz ein Ende des "Theaters" um die Doppelstaatsbürgerschaften.

Europaweit ist ein eindeutiger Trend zu erkennen: In Staaten wie Schweden, Großbritannien und Italien lag die Zustimmungsrate zur Verfassungsreform in der Türkei bedeutend niedriger. Pilz zufolge verfügt Präsident Tayyip Erdoğan dort im Gegensatz zu den deutschsprachigen Ländern sowie Belgien und den Niederlanden über kein gut ausgebautes Netzwerk.

Drohungen gegen Austrotürken

Im Gegensatz zu den deutschen Behörden, die diese Entwicklung genau beobachteten, blieben die Ermittler in Österreich untätig, so Pilz: "Restaurantbesitzer, und zwar nicht nur von der bei Pro-Erdoğan-Demos angegriffenen Kebab-Kette Türkis, kommen zu mir und berichten, dass sie bedroht werden, das Innenministerium aber nichts dagegen unternimmt."

Das Innenministerium hat diese Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen: Dort sei bisher keine Anzeige eingegangen, die die Einschüchterung türkischer Staatsbürger im Verlaufe des Referendums zum Inhalt hatte.

Er habe in Gesprächen mit Austrotürken erfahren, dass potenzielle Nein-Wähler nicht zur Abstimmung gegangen seien, weil sie fürchteten, auf dem Generalkonsulat ihre Papiere nicht zurückzubekommen. Ja-Wähler seien hingegen in Gratisbussen aus ganz Österreich zur Abstimmung gebracht worden.

Heftige Kritik übte Pilz an Innenminister Wolfgang Sobotka und Außenminister Sebastian Kurz, denen er vorwirft, doppelt von Erdoğan zu profitieren: einerseits durch die politische Aufregung, die dieser provozierte, andererseits durch "Erdoğan-Kandidaten" auf ÖVP-Wahllisten für Nationalrat, Landtage und Gemeinden. "Die ÖVP ist die Heimatpartei für Erdoğan-Funktionäre", so Pilz.

Sobotkas Forderung, Geldstrafen gegen österreichisch-türkische Doppelstaatsbürger zu verhängen, hält er für unrealistisch und undurchführbar. Es gebe allerdings "legale Wege, die Wahlberechtigten-Listen zu erhalten", erklärt Pilz, der sich dessen bewusst ist, dass sein Standpunkt zu den "Doppelpässen" nicht von allen in der Partei geteilt wird.

Außerdem forderte Pilz eine Reisewarnung für die Türkei und eine Überprüfung des neuen Religionsattachés in der türkischen Botschaft. Gegen dessen mittlerweile abgelösten Vorgänger Fatih Mehmet Karadas laufen laut einer parlamentarischen Anfrage, die Pilz am 19. April einbrachte, Ermittlungen wegen Verdachts der nachrichtendienstlichen Tätigkeit zum Nachteil der Republik Österreich (Aktenzeichen 708 ST 12/17m). (Bert Eder, 20.4.2017)