Justizminister Wolfgang Brandstetter lässt derzeit prüfen, ob es beim Verbotsgesetz noch Bedarf an Nachschärfungen gibt.

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Wien – Als "Urteilsspruch über Österreichs Todfeind" bezeichneten die "Oberösterreichischen Nachrichten" in ihrer Ausgabe vom 25. Juli 1946 das sogenannte "Nationalsozialistengesetz", das am Tag zuvor im Nationalrat einstimmig beschlossen worden war. Die Rede war vom Verbotsgesetz, genauer gesagt von der Novelle des Verbotsgesetzes 1945, das Österreichs Täter zur Verantwortung ziehen und das Land von den Einflüssen der Nazis befreien sollte.

So drastisch die Worte auch waren: Den Alliierten, die auf einen konsequenten Umgang mit den österreichischen Tätern drängten, ging das Gesetz zu wenig weit. Sie machten ihre Unterschrift unters Gesetz von Nachschärfungen abhängig, das Gesetz trat im Februar 1947 in Kraft. Vieles von dem, was vor 70 Jahren beschlossen wurde, wurde von den Regierungsparteien, die nach Wählerstimmen der ehemaligen Nationalsozialisten gierten, bald wieder zurückgenommen.

Spielräume ausloten

Das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung gilt jedoch bis heute. Und just zum 70. Geburtstag des Gesetzes lässt Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) prüfen, ob es Verbesserungsbedarf im Gesetz gibt. Das deutsche Max-Planck-Institut soll beauftragt werden, internationale Rechtsvergleiche anzustellen, um "Spielräume auszuloten", wie es heißt. Welche Fragen die deutschen Juristen dabei konkret prüfen sollen, wird derzeit in Abstimmung mit dem Mauthausen-Komitee und der Israelitischen Kultusgemeinde festgelegt.

Wobei Robert Eiter vom Mauthausen-Komitee das Problem weniger im Gesetz an sich als in dessen Anwendung sieht. Er sieht vor allem die Zuständigkeit der Geschworenengerichtsbarkeit für Verbotsgesetzverfahren als problematisch an. Zudem fordert Eiter, dass die Staatsanwaltschaften künftig bei Wiederbetätigungsprozessen einer straffen Berichtspflicht unterliegen, damit auf diese Weise die regionalen Unterschiede im Umgang mit Verbotsgesetzverfahren ausgeglichen werden.

Umstrittene Entscheidung

Aktueller Anlass des ministeriellen Evaluierungsauftrages war, überspitzt formuliert, eine Entscheidung im eigenen Haus: Ein Rechtsanwalt aus Wels hatte in einem Plädoyer vor Gericht die Existenz von Gaskammern im Konzentrationslager Mauthausen geleugnet, woraufhin die Staatsanwaltschaft Wels Anklage nach dem Verbotsgesetz gegen den Anwalt erhob. Doch der Fall landete nie vor Gericht: Der Weisungsrat im Justizministerium ersuchte per Erlass, die Anklage zurückzuziehen. Die Begründung: Der Jurist habe den Völkermord der Nazis nicht "gröblich verharmlost", wie es die Bestimmung zur Holocaustleugnung im Verbotsgesetz vorsieht: Der Jurist hatte nur Vergasungen in Mauthausen selbst abgestritten, nicht aber in der Tötungsanstalt im rund 40 Kilometer entfernt gelegenen Schloss Hartheim, in der laut Schätzungen über 30.000 Menschen ermordet wurden.

Bei der Evaluierung des Verbotsgesetzes dürfte es deshalb wohl auch um ein Nachschärfen der Leugnungsbestimmung gehen – und konkret um die Frage, ob die sogenannte Teilleugnung der Shoah strafbar sein soll. Mehrere Historiker, wie etwa die frühere wissenschaftliche Leiterin des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Brigitte Bailer-Galanda, sprechen sich genau dafür aus.

An der Grenze des strafrechtlich Zulässigen

Bailer-Galanda fordert zudem, die Leugnung der Kriegsschuld der Nationalsozialisten in den Wortlaut des Gesetzes zu integrieren. Das "stark antisemitisch geprägte Leugnen der NS-Kriegsschuld" werde in Neonazi-Kreisen, die sich häufig ganz bewusst an der Grenze des gerade noch strafrechtlich Zulässigen bewegen, nämlich "sehr massiv genutzt".

Dass durch eine Ausweitung des Paragrafen möglicherweise Unschuldige in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt werden könnten, glaubt die Historikerin nicht: Die Gerichte würden bereits jetzt die subjektive Tatseite genau prüfen – also die Frage, ob es Indizien dafür gibt, dass es sich nicht nur um etwas gedankenlos Dahingesagtes handelt, sondern um den Ausdruck einer nationalsozialistischen Gesinnung. (Maria Sterkl, 19.4.2017)