Azam Alaei Taleghani wird es das sechste Mal von der Liste für die Präsidentschaftskandidatur fliegen.

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Dass sich Frauen für die Präsidentschaftswahlen im Iran als Kandidatinnen registrieren lassen, ist nichts Ungewöhnliches – ebenso nicht, dass der Wächterrat, der über die Zulässigkeit von Kandidaturen entscheidet, sie allesamt wieder streicht. Auch dieses Mal, bei den zwölften iranischen Präsidentenwahlen am 19. Mai, wird wohl keine Frau dabei sein. Für Azam Alaei Taleghani wird es das sechste Mal sein, dass sie wieder von der Liste fliegt. Das erste Mal war 1997: ein Zwanzig-Jahr-Jubiläum also.

Wer sich nun eine jener jungen modernen iranischen Frauen vorstellt, die das islamische System insgesamt herausfordern wollen, liegt völlig falsch. Azam Taleghani ist 73 Jahre alt und war immer Teil der Islamischen Republik. Die Lehrerin, Journalistin und Politikerin war in der Schahzeit zwei Jahre lang als islamistische Aktivistin im Gefängnis. Nach der Revolution 1979 wurde sie ins Parlament gewählt.

Die Mutter einer Tochter und dreier Söhne – Enkelkinder wird es wohl auch schon lange geben – wandte sich früh Frauenfragen zu. Sie gründete die "Gesellschaft der Frauen der Islamischen Revolution", den "Verein der Muslimischen Frauen Irans" und die Zeitschrift Payam-e Hajar, die "Botschaft Hagars" (Frau Abrahams und Mutter Ismails, auf den sich die Muslime beziehen). Denn sosehr sie für die Islamisierung war, sosehr beklagte sie auch immer, dass die Leistungen der Frauen bei der Revolution 1979 und im folgenden Iran-Irak-Krieg nicht genügend gewürdigt wurden.

Fordert mehr Sichtbarkeit für Frauen

Mit ihren Kandidaturen verbindet sie aber nicht nur eine allgemeine Forderung nach mehr Sichtbarkeit der Frauen. Ihr geht es um den Streit um ein Wort, das in Artikel 115 der iranischen Verfassung definiert, wer kandidieren darf, nämlich "religiöse und politische rejal". Den Plural des Wortes "rajul" lesen die Männer vom Wächterrat als, erraten, "Männer" – während Taleghani auf der Lesart "Individuen" besteht. Dafür führt sie den Koran an. 15-mal komme das Wort "rajul" darin vor, fünfmal davon geschlechtsneutral: warum also nicht auch in der iranischen Verfassung?

Ihre islamisch-feministische Ausstattung hat sie von niemand Geringerem als einem Ayatollah: Sayyid Mahmud Taleghani, ihrem Vater. Er bemühte sich um eine Verbindung des Islam mit modernen Ideen. Seine Tochter setzt die Tradition fort und hat dabei nicht nur Frauenrechte im Auge, sondern auch jene von Kindern, Minderheiten, Behinderten, Flüchtlingen und Migranten. (Gudrun Harrer, 17.4.2017)