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Der türkische Präsident Tayyip Erdogan hat seine Stimme bereits abgegeben.

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Tayyip Erdogan und seine Frau Emine inmitten von Unterstützern am Sonntagvormittag.

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Bei einem Zusammenstoß während des Referendums in der Türkei sind in der mehrheitlich kurdischen Provinz Diyarbakir zwei Menschen getötet worden. Die Nachrichtenagentur DHA vermeldete einen weiteren Verletzten. Am Sonntag in der Früh sei es vor einem Wahllokal zu einem Streit gekommen, bei dem die Beteiligten mit Messern und Schusswaffen aufeinander losgingen.

Dabei seien drei Menschen verletzt worden. Zwei davon sollen auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben sein. Ein Verdächtiger sei festgenommen worden. Der Streit sei über unterschiedliche politische Meinungen ausgebrochen, berichtet die Nachrichtenagentur Dogan laut AP.

Stimmabgabe seit sieben Uhr

Währenddessen läuft die Abstimmung. Erste Ergebnisse beim in Europa mit Spannung verfolgten Verfassungsreferendum in der Türkei dürfte es heute gegen 19 Uhr Ortszeit – 18 Uhr Wien – geben. Offiziell gilt ein Veröffentlichungsverbot bis 21 Uhr. Die Stimmabgabe begann am Sonntagmorgen um sieben Uhr im Ostteil des Landes und um acht Uhr im Westen. Die Wahllokale schließen bereits um 16 Uhr beziehungsweise um 17 Uhr.

Bei dem Referendum geht es um 18 Änderungen von Verfassungsartikeln, mit denen die parlamentarische Demokratie in der Türkei abgeschafft und ein Präsidialregime für den bereis seit 14 Jahren regierenden früheren Premier und heutigen Staatschef Tayyip Erdogan eingeführt werden soll. Umfragen zeigten zuletzt einen Trend für die Befürworter der Verfassungsänderung.

Weiß für "Ja"

In Istanbul begann die Abstimmung sehr ruhig und diszipliniert. Warteschlangen gab es in der Früh noch nicht. Es gilt ein striktes politisches Werbeverbot, Polizeibeamte und andere uniformierte Amtsträger dürfen nicht näher als 100 Meter zu den Wahllokalen. Die Wahlberechtigten – es sind 55,3 Millionen – erhalten dieses Mal einen gelben Umschlag und einen zweigeteilten Stimmzettel. Auf dem linken weissen Teil steht "Evet" – Türkisch für "Ja"; für das "Nein" wurde eine hellbraune Packpapierfarbe bestimmt. Die Wähler bekommen dazu einen Stempel mit dem Schriftzug "Tercih" – was "Bevorzugung" bedeutet.

Die pro-kurdische HDP berichtet, beim Referendum würden Wahlbeobachter der Opposition durch die Polizei in ihrer Arbeit behindert. Der HDP-Abgeordnete Ziya Pir sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag, in der Kurdenmetropole Diyarbakir hätten Polizisten Wahlbeobachter seiner Partei und der größten Oppositionspartei CHP abgeführt.

Erdogan gab Stimme ab

Hintergrund sei, dass auf Wahlbeobachter-Karten der Betroffenen der Name beziehungsweise das Symbol ihrer jeweiligen Partei abgebildet sei. Die Polizisten argumentierten, dass die Verwendung von Parteisymbolen in Wahllokalen am Wahltag nicht gestattet sei. Entsprechende Vorfälle würden auch aus anderen Wahllokalen in der Kurdenregion im Südosten der Türkei gemeldet, sagte Pir. "Die gehen gezielt gegen die HDP und die CHP vor, also gegen das "Nein"-Lager. Die suchen Gründe, damit wir an den Wahlurnen keine Beobachter haben."

Erdogan gab seine Stimme wie immer in einer Schule im Istanbuler Stadtteil Üsküdar, in der Nähe einer seiner Wohnsitze ab, Regierungschef Binali Yildirim in Izmir, der Chef der grössten Oppositionspartei, Kemal Kiliçdaroglu von der sozialdemokratischen CHP ging ebenso wie der nunmehr mit Erdogan verbündete Führer der rechtsgerichteten MHP, Devlet Bahçeli, in Ankara zur Abstimmung. Dies sei kein übliches Votum, sagte Erdogan, er glaube an die Einsicht des Volkes.

Stimmabgabe in Haftanstalt

Den in Hochsicherheitsgefängnissen inhaftierten Ko-Vorsitzenden der prokurdischen Minderheitenpartei HDP, Selahattin Demirtaş und Figen Yüksedag, haben die Behörden erlaubt, in der Haftanstalt die Stimmzettel abzugeben. Die HDP ist formell die drittgrösste Parlamentspartei; 13 ihrer Abgeordneten sind bisher ins Gefängnis gesteckt worden. Insgesamt 461 Wahllokale gibt es dieses Mal in den türkischen Gefängnissen. Seit der Vehängung des Ausnahmezustands vor neun Monaten sind rund 45.000 Menschen in Untersuchungshaft genommen worden.

Dollar und Euro haben diese Woche ein Prozent verloren, doch die Lira steht weiter auf Tiefstwerten, was Importe und Kredite für Unternehmer massiv verteuert und die Inflation angekurbelt hat. Für einen Euro bekommt man derzeit knapp vier Lira. Eines der grossen Fragezeichen für die Zeit nach dem Referendum ist, ob sich die türkische Wirtschaft gemeinsam mit der innenpolitischen Lage wieder stabilisiert. (Markus Bernath, APA, 16.04.2017)