Den kolumbianischen Streitkräften und der FARC-Guerilla werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

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Exminister Diego Palacio hofft auf ein mildes Urteil.

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Bogotá – Großer Andrang beim kolumbianischen Sondergericht für den Frieden (Jurisdiccion Especial para la paz – JEP): Noch bevor die neu geschaffene Behörde ihre Arbeit aufgenommen hat, erheben zahlreiche Angeklagte Anspruch, von dem Tribunal einvernommen zu werden.

Eigentlich sollen die noch von einem internationalen Komitee auszuwählenden Richter über Kriegsverbrecher Recht sprechen. Die Formulierung im Friedensvertrag bezieht sich allerdings auf alle Vorfälle "im Zusammenhang mit dem Konflikt und aufgrund des bewaffneten Konflikts", was einen großen Interpretationsspielraum offenlässt.

Acht Jahre Höchststrafe

Um von der Sondergerichtsbarkeit einvernommen zu werden, haben die Angeklagten Bedingungen zu erfüllen: Sie müssen ihre Verbrechen gestehen, an der Aufklärung des Schicksals Verschwundener mitarbeiten und versprechen, ihre Untaten nicht zu wiederholen. Dafür sind die Haftstrafen, die das Gericht verhängen kann, auf maximal acht Jahre beschränkt, ihren Gerichtstermin können geständige Angeklagte im Regelfall im Hausarrest abwarten, und für minder schwere Fälle gibt es Alternativen zum Gefängnisaufenthalt wie Sozialarbeit oder Minenräumung.

Ein attraktives Angebot für zu Haftstrafen Verurteilte: Exgesundheitsminister Diego Palacio, wegen der Bestechung mehrerer Abgeordneter zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, bemüht sich um einen Termin vor dem Sondergericht. Er argumentiert, dass sein Verbrechen lediglich darin lag, eine Verfassungsänderung, die dem damaligen Präsidenten Álvaro Uribe eine weitere Amtszeit ermöglicht hätte, erreichen zu wollen. Die sei erforderlich gewesen, weil ohne den als Hardliner bekannten Uribe der Krieg gegen die FARC-Guerilla nicht zu gewinnen wesen wäre. Damit, so sein Anwalt Enrique Santiago, sei ein Zusammenhang mit dem Konflikt gegeben und sein Klient habe Anspruch auf ein JEP-Verfahren.

Angehörige und NGOs besorgt

Angehörige von Opfern des Militärs, die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und 32 kolumbianische NGOs äußern sich besorgt über die Entscheidung eines Richters, das Verfahren gegen zwölf Militärs zu unterbrechen, weil diese unter die Gerichtsbarkeit der JEP fallen könnten. Den Offizieren wird vorgeworfen, Jugendliche unter dem Vorwand, ihnen Arbeit zu verschaffen, entführt, ermordet und ihre Leichen als getötete Guerillakämpfer präsentiert zu haben, um so zusätzliche freie Tage und Prämienzahlungen zu erlangen. Die zahlreichen als "falsos positivos" bekannten Entführungen ereigneten sich unter der Präsidentschaft Álvaro Uribes, Verteidigungsminister war damals der heutige Präsident Juan Manuel Santos, der davon nichts mitbekommen haben will.

Karikaturist "Matador" über die Uribe-Anhänger, die vor das Sondergericht wollen

Der in Havanna unterzeichnete Friedensvertrag zwischen Regierung und FARC-Guerilla besagt, dass das Sondergericht frei entscheiden kann, mit welchen Fällen es sich befasst und welche der regulären Staatsanwaltschaft überlassen werden. Vor den bisher 21 Richtern, die über ein Budget von 14 Milliarden kolumbianischen Pesos (4,6 Millionen Euro) von ausländischen Geldgebern verfügen, sollen sich mehr als 1.700 Personen verantworten, darunter 1.345 Guerillakämpfer, 65 Militärangehörige und 347 Staatsbeamte.

Überhaupt nicht zufrieden mit dem Bestreben seines ehemaligen Ministers zeigte sich Expräsident Uribe, der die Verhandlungen mit der FARC-Guerilla ablehnt: Er bezeichnete die Sondergerichte auf Twitter als "Terroristenjustiz".

Fortschritte bei ELN-Verhandlungen

Bei den Verhandlungen mit der zweitgrößten Rebellengruppe, der Nationalen Befreiungsarmee ("Ejercito de Liberacion Nacional" – ELN), die in Ecuadors Hauptstadt Quito stattfinden, gab es nach zweimonatigen Gesprächen erste Erfolgsmeldungen. Die Guerilla habe sich bereiterklärt, an einem Pilotprojekt zur Entfernung der von ihr gelegten Landminen mitzuarbeiten, gab Chefverhandler Juan Camilo Restrepo bekannt, bevor sich die Delegationen über die Osterwoche auf die Heimreise begaben.

Wegen der Explosionen der von der ELN gelegten Minen kam es wiederholt zu Protesten indigener Bevölkerungsgruppen im südkolumbianischen Departement Nariño. An den Gesprächen in Quito nahmen auch die FARC-Kommandanten Carlos Antonio Lozada und Pastor Alape teil, berichten kolumbianische Medien. (Bert Eder aus Bogotá, 14.4.2017)