Ohne Molkereiabnahme muss die Milch der "Milchrebellen" weggeschüttet werden.

Foto: apa/Jens Büttner

Wien – Der Karren ist verfahren, ein Hinausmanövrieren aus eigener Kraft kaum mehr möglich. Der Ruf nach einem politischen Retter schallt durchs Land. In Österreich stehen wie berichtet 37 Landwirte ohne Abnehmer da. Sie sind der verbliebene Rest aus einer Riege von einst rund 600 Bauern, die bei der Vermarktung von Milch eigene Wege abseits großer Molkereigenossenschaften gehen wollten.

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Der Vorstoß scheiterte an einer falschen Einschätzung der Märkte und der Machtverhältnisse. Große Milchverarbeiter beäugten das Experiment mit ebenso viel Missfallen wie Bauernbund und Kammer. Nachdem vernünftige wirtschaftliche Perspektiven fehlten, versuchten die Betriebe reihenweise wieder bei ihren früheren Abnehmern unterzukommen. Den meisten gelang es, wenn auch großteils zu schlechteren Konditionen.

"Harter Kern"

37 blieben über. Einige unter ihnen zählten zum harten Kern der einstigen Milchrebellen, viele andere hatten mit Politik nie was am Hut, stießen teils erst vor wenigen Jahren als neue Lieferanten hinzu. Sie werden nun über einen Notbetrieb der Alpenmilch Logistik, die offiziell bereits Geschichte ist, von einem einzigen Lkw angefahren.

"Das Einsammeln kostet mehr, als die Milch wert ist. Sie wegzuschütten ist mittlerweile ein geringerer Schaden, als sie einzusammeln", sagt ihr Geschäftsführer Johann Furtmüller. 1050 Kilometer lege der Milchtankwagen bei einer Tour zurück. 15 zusätzliche Kilometer hingegen brauchte es, wenn die umliegenden Molkereien die betroffenen 37 Höfe wieder unter Vertrag nehmen würden. Was diese aber trotz steter "Bettelbriefe" der Betriebe weiterhin nicht tun. Mit Mai stoppt auch der einmonatige Notbetrieb. Kühe sind keine Maschinen, die sich abstellen lassen – die erste Milch fließt daher bereits in die Gülle. Ernst Halbmayr erzählt vor Journalisten von Familien, die psychisch am Ende seien. Er sieht unter den Bauern Suizidgefahr und hofft nun, wie er sagt, ehe diese ihre Rinder verkaufen oder ganz zusperren, auf die Vernunft der Branche.

Zu viel Milch

Über Sein oder Nichtsein ihrer Höfe entscheidet seiner Meinung nach die Berglandmilch. 27 Bauern entfielen in ihr Sammelgebiet, acht seien im Revier der Gmundner, die ihr weiteres Vorgehen von der Berglandmilch abhängig mache, zwei im Umkreis der NÖM.

"Unternehmen wird hier vorgeschrieben, dass sie Rohstoffe abnehmen müssen. Das ist absurd", sagt Josef Braunshofer. "Wir wissen schon jetzt nicht, ob wir die eingesammelte Milchmenge überhaupt verarbeiten können. So viel wie im April hatten wir noch nie."

Der Berglandmilch-Chef betont einmal mehr, dass seine Molkerei wie bisher jeden Fall einzeln prüfe. Er stehe jedoch auch in der Verantwortung jener Bauern, die aus der Genossenschaft nie ausgestiegen seien. "Es gibt immer auch eine andere Seite der Medaille."

Der Tenor aus den Genossenschaften: Halbmayr und Furtmüller hätten wissen müssen, dass der Markt ihr Vorhaben nicht zulasse, dass es unrealistisch war, zu glauben, die Milch werde den Bauern aus der Hand gerissen. Für Ärger sorgt zudem der Verkauf der Marke "Besser Bio" 2016 an die Salzburg Milch, während den Rohstoff andere aufgeladen bekämen. Harte Einzelschicksale will keiner bestreiten – vor diesen seien jedoch neben Milchbauern auch normale Arbeitnehmer nicht gefeit.

Für Furtmüller und Halbmayr hat das Argument der Wirtschaftlichkeit keine Gültigkeit. "Mit den 37 Bauern soll ein Exempel statuiert werden." Sie lieferten jährlich nur gut fünf Millionen Kilo Milch – was in Relation zu den 1,2 Milliarden der Berglandmilch lediglich den täglichen Schwankungen entspreche. Beide kritisieren die Vormachtstellung weniger großer Verarbeiter in Österreich, denen Lieferanten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert seien. Die Werbung suggeriere ein Milchparadies. "Tatsächlich jedoch fürchtet sich die Mehrheit der Bauern vor den Molkereien." Halbmayr sieht den Ball daher auch bei den Kartellbehörden. (Verena Kainrath, 14.4.2017)