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EU-Ausländer sind für die britische Regierung oft Spielgeld.

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Der Antrag der Deutschen Cathrin Cordes auf dauerhaftes Aufenthaltsrecht wurde zurückgewiesen. Sie lebt seit mehr als 20 Jahren in London.

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Das Verhältnis von Cathrin Cordes zu ihrer Wahlheimat Großbritannien hat sich zuletzt stark verändert. Das liegt an einem Brief, den die 54-jährige Deutsche kürzlich von der Einwanderungsbehörde erhielt: Ihr Antrag auf dauerhaftes Aufenthaltsrecht wurde zurückgewiesen. "So eine Ablehnung ist sehr verletzend", sagt die Volkswirtin und Schuldirektorin, die seit mehr als 20 Jahren in London lebt. "Man denkt ja gleich, man sei zu blöd gewesen, den Antrag korrekt auszufüllen."

Davon kann keine Rede sein: Ein unabhängiger Rechtsexperte hat ihr den Behördenfehler bestätigt, die örtliche Parlamentsabgeordnete nimmt ihren Fall zum Anlass für eine Regierungsanfrage. Cordes gehört zu einer Vielzahl von Fällen – laut Liberaldemokraten mehr als ein Viertel –, bei denen die Bürokraten mit fadenscheiniger oder falscher Begründung Anträge ablehnen.

Rechtlich abgeschnitten

Für Cordes war der negative Bescheid besonders bitter, weil zeitgleich ihr langjähriger spanischer Lebensgefährte und die beiden gemeinsamen deutsch-spanischen Söhne das Aufenthaltsrecht erhielten. "Plötzlich bin ich rechtlich von der Familie abgeschnitten. Das ist nicht nur unglaublich fies, es stellt auch eine Diskriminierung unverheirateter Mütter dar."

Eigentlich hat sich der Status von bis zu vier Millionen Bürgern anderer EU-Staaten auf der Insel bisher in keiner Weise verändert. Viele Politiker, auch Premierministerin Theresa May, haben sich immer wieder zur rechtlichen Absicherung der Betroffenen bekannt; allerdings verknüpft May die Bleibegarantie mit dem Schicksal der rund 1,2 Millionen Briten, die im Rest der EU leben. Dezidierte EU-Feinde wie Außenhandelsminister Liam Fox sehen in EU-Ausländern eine "Trumpfkarte" für die Verhandlungen.

Kein Wunder, dass vielen Kontinentaleuropäern mit Blick auf die Zukunft mulmig zumute ist. Um ihren rechtlichen Status zu klären, beantragten viele eine Aufenthaltsgenehmigung, die im Rahmen der Personenfreizügigkeit bisher nicht notwendig war. Das Formular kostet pro Person 75 Euro und umfasst 85 Seiten, auf denen jeder Auslands-, auch Urlaubsaufenthalt der letzten fünf Jahre aufgelistet werden muss.

Schlampig und inkompetent

Allein im dritten Quartal 2016 verdreifachte sich die Zahl der Anträge bei einer personell unterbesetzten Behörde, die zudem als schlampig und inkompetent gilt. Die Folge: Wartezeiten von vier bis sechs Monaten. Und immer wieder wird Menschen, die teilweise seit ihrer Geburt mit holländischem oder italienischen Pass auf der Insel leben, dort studiert und gearbeitet haben, der permanente Aufenthalt verweigert. Manche Bescheide enthielten sogar die Aufforderung, der Petent solle "die Ausreise aus dem Vereinigten Königreich" vorbereiten.

So schlimm ist es um Cathrin Cordes nicht bestellt – schlecht behandelt fühlt sie sich aber doch. Ausdrücklich hatte die Hotline sie im vergangenen Sommer zum Einreichen eines Familienantrages ermutigt, solange der Nachwuchs das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Familie lebt seit 1996 in London, die Volkswirtin arbeitet als Übersetzerin und leitet die größte deutsche Samstagsschule in London, wo 190 Kinder auf Deutsch bis hin zum Maturaniveau unterrichtet werden.

Umso schockierender, dass es in der Ablehnungsbegründung hieß: Der Familienantrag gelte nur für Verheiratete, die eingereichten Papiere seien für Vater und Söhne, nicht aber für die Mutter ausreichend. Cordes hat Einspruch eingelegt, wird sich aber lange Monate gedulden müssen: Erfahrungsgemäß kann die Prüfung bis zu einem Jahr dauern. Solange muss sie auf jeden Fall warten, ehe sie die britische Staatsbürgerschaft beantragen kann.

"the3million"

Solche und ähnliche Fälle bringt eine Lobbygruppe an die Öffentlichkeit, die sich in Anspielung auf die Zahl der Betroffenen "the3million" nennt. Eine Erhebung des nationalen Statistikamtes ONS spricht von 3,2 Millionen Bürger anderer EU-Staaten in einer Gesamtbevölkerung von rund 65 Millionen Menschen. Dabei wird etwa für Frankreich die Zahl 185.344 genannt; hingegen schätzt die französische Botschaft die Zahl ihrer Landsleute auf rund 300.000. Sollten ähnliche Dunkelziffern auch auf andere Nationen zutreffen, dürfte die Gesamtzahl bei vier Millionen liegen. Polen stellen mit gut 900.000 Menschen die größte Gruppe, gefolgt von Iren, Rumänen und Portugiesen.

Wie manch andere Langzeit-Residenten steht die Deutsche Cordes dem britischen Staat nun skeptischer gegenüber. Dafür freut sie sich über die große Hilfsbereitschaft, die ihr Fall im englischen Bekannten- und Freundeskreis ausgelöst hat: "Das finde ich natürlich sehr ermutigend." (13.4.2017)