Drei Sprengsätze beschädigten am Dienstagabend den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund.

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  • Nach Sprengstoffattentat wurde Bekennerschreiben gefunden
  • Authentizität des Schreibens wird überprüft: Abzug deutscher Tornado-Kampfjet aus dem Krieg in Syrien und Schließung des US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein wird gefordert
  • Zwei Personen aus dem islamistischen Spektrum in den Fokus der Ermittler geraten
  • Ein mutmaßlicher Islamist vorläufig festgenommen, eine Wohnung wurde durchsucht
  • Staatsanwaltschaft ermittelt aber weiter "in alle Richtungen"


Laut Generalbundesanwaltschaft ist die Fußballmannschaft von Borussia Dortmund (BVB) beim Sprengstoffanschlag am Dienstag noch glimpflich davongekommen: Drei hinter einer Hecke abgelegte Sprengsätze verfügten über eine erhebliche Sprengwirkung von mehr als 100 Metern. Die Sprengsätze waren mit Metallstiften bestückt, einer bohrte sich in die Kopfstütze eines Bussitzes. Die Art des Zündmechanismus und des verwendeten Sprengstoffes sind noch Gegenstand kriminaltechnischer Untersuchungen.

Nach dem Anschlag hat die Polizei am Mittwoch zwei Verdächtige aus der Islamistenszene identifiziert, ihre Wohnungen wurden durchsucht, eine Person vorübergehend festgenommen. Bei einer der beiden Personen soll es sich um einen Iraker aus Wuppertal handeln. Der andere ist laut Medienberichten ein Deutscher, der zuletzt Sympathien für den "Islamischen Staat" (IS) bekundet hatte.

Allerdings befänden sich die Ermittlungen in einem sehr frühen Stadium. Offenbar sind die beiden bisher vor allem deshalb verdächtig, weil einer von ihnen in der Nähe des Tatorts gewesen sein könnte. Wie "Spiegel Online" schreibt, könnte der Verdacht aber auch bisher nur darin begründet sein, dass der Iraker einen Regenschirm des Teamhotels von Borussia Dortmund besessen haben soll. Er wurde von den Ermittlern im Schlaf überrascht. Ob er mit der Tat wirklich in Zusammenhang steht, ist unklar.

Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) geht von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus. "Ein islamistischer Hintergrund der Tat ist möglich", sagte eine Sprecherin der GBA. Beim Anschlagsort wurden drei textgleiche Bekennerschreiben mit Hinweisen auf eine islamistisch motivierte Tat gefunden.

Das Schreiben beginnt mit der Einleitung "Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen", wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Weiter geht das Schreiben auf den Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vom 19. Dezember ein, in einem späteren Abschnitt wird Kanzlerin Angela Merkel direkt angesprochen. Sie wird für den Tod hunderter Muslime in Syrien mitverantwortlich gemacht, da sich die Bundeswehr am Lufteinsatz gegen die Terrormiliz IS beteiligt. Die Verfasser – oder der Autor – fordern ein Ende der Aufklärungsflüge und die Schließung der US-Luftwaffenbasis in Ramstein. Der 91 Worte umfassende Brief beinhaltet auch eine Drohung: "Ab sofort" stünden "alle ungläubigen Schauspieler, Sänger, Sportler und sämtliche prominente (sic) in Deutschland und anderen Kreuzfahrer-Nationen auf Todeslisten des Islamischen Staates".

Zweifel an Urheberschaft

Der Text wird nun von Islamwissenschaftern geprüft. Der Terrorismusexperte Georg Heil äußert indes Zweifel, ob tatsächlich Anhänger des IS hinter dem Anschlag stehen. Das Schreiben strotzt an einigen Stellen vor gravierenden orthografischen Fehlern, an anderen Stellen sind vergleichsweise komplexe Sätze in einwandfreiem Deutsch verfasst. "Solche Formulierungen weisen auf die deutsche Muttersprache hin", sagt Heil. Möglicherweise seien holprige Formulierungen absichtlich verwendet worden, um den Verdacht auf Migranten zu lenken. Auch inhaltlich hält Heil das Schreiben zumindest für "sehr verwunderlich". "Konkrete politische Forderungen (...) sind für den IS untypisch." Für den IS ungewöhnlich sei darüber hinaus, dass ein Schreiben auf Papierform am Tatort zurückgelassen wurde. "Üblicherweise bekennt sich der IS im Internet zu seinen Taten", sagt Heil und fügt an: "Ich halte es für gut möglich, dass der Brief fingiert ist."

Indes ließen die Art des Anschlages gegen einen fahrenden Bus sowie die Wucht der Detonation auf eine Täterschaft schließen, die "über ein entsprechendes Wissen zum Bau solcher Sprengsätze verfügt".

Ein zwischenzeitlich im Internet veröffentlichtes zweites Bekenntnis wies auf einen linksradikalen Hintergrund hin. Die GBA äußert aber erhebliche Zweifel an der Echtheit dieser Botschaft.

Trotz Hinweisen auf die Islamistenszene ermittelt die GBA in alle Richtungen. Zwar ist Nordrhein-Westfalen für seine rege Salafistenszene bekannt, die Sicherheitsbehörden haben im Bundesland 160 "Gefährder" identifiziert. Dennoch wird auch über einen rechtsextremistischen Hintergrund spekuliert.

In Dortmund hat sich eine starke rechtsextreme Szene etabliert, auch auf der berüchtigten Südtribüne im Dortmunder Signal-Iduna-Park finden sich Fans dieser Ausrichtung. Ein Szenekenner äußert den Verdacht, dass Rechtsextremisten mit dem Anschlag Hass gegen Islamisten und linke Gruppierungen schüren wollten, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die am 14. Mai anstehenden Landtagswahlen. Die Wahlen gelten als wegweisend für die Bundestagswahlen im September. (Christoph Reichmuth aus Berlin, 13.4.2017)