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Erfüllung könne das Leben in vielen Bereichen bieten, schreibt Buchautor Volker Kitz, "zum Beispiel durch Freunde, Familie, Freizeit. "Für die Arbeit gibt es Geld. Das ist der Normalfall, und kein Leben läuft schief, wenn es so läuft."

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Laut einer Studie der Universitäten Washington und Oxford ist es auch gesünder, seinen Beruf einfach nur als solchen zu sehen – und nicht als Voraussetzung für ein sinnstiftendes Dasein.

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Der Job: Er muss einen motivieren, sinnstiftend sein, im besten Fall sogar glücklich machen. Der Beruf als Berufung. So lautet der aktuelle Anspruch, der auch unter "Passion Principle" firmiert. Zu glauben, dass jeder Leidenschaft für seinen Job aufbringen muss, sei jedoch realitätsfern, beklagen Kritiker – und der Großteil der Berufstätigen scheitere ohnehin daran.

Michael Meyer, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, nennt etwa die Leidenschaft für die Arbeit "ein Ideal, das aber ein Luxusgut für wenige Privilegierte bleiben muss". Inspirierende Geschichten über Jobwechsel richteten letztlich eher Schaden an, als sie Positives auslösen, sagt Volker Kitz, Buchautor und Redner zu den Themen Psychologie und Arbeit. "Sie suggerieren, dass niemand sich im Arbeitsleben mit weniger als dem makellosen Glück zufriedengeben dürfte. Dass jeder etwas ändern muss, der seinen Job nicht mit bis an Besinnungslosigkeit grenzender Leidenschaft ausübt."

Leidenschaftlich ins Burnout

Ein sinnstiftender Job ist aber nicht nur schwer zu erreichen – ist er tatsächlich erreicht, kann er auch krankmachen. Das zeigt eine Studie, die im "Academy of Management Journal" veröffentlicht wurde. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die ihren Job als Berufung sehen, sind demnach eher burnoutgefährdet – und erleiden eher Enttäuschungen.

Die Leidenschaft für einen Job – die die Studienautoren als ein "sinnstiftendes Streben nach Arbeit, die moralisch, sozial und persönlich wirksam ist und Aufgaben einschließt, die in sich selbst das Ziel sind" – dürfte also paradoxerweise dazu führen, eben diesen nicht lange ausüben zu können.

Die Studie der Professoren an den Universitäten Washington und Oxford basiert auf 50 Interviews mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern in Tierheimen. Eine Arbeit, die hart und schlecht bezahlt sei – und die man sich meist aus Idealismus aussuche.

Wer ermattet schneller?

Aufgrund der Ergebnisse teilten die Forscher die Befragten in drei Gruppen ein. Die ersten bezeichnen die Forscher als "identitätsorientiert": Sie haben sich aus Liebe zu Tieren für ihren Beruf entschieden. Die zweite Gruppe gab an, mit ihrer Arbeit einen Beitrag für die Gesellschaft leisten zu wollen. Die dritte Gruppe nannten die Forscher "praktisch orientiert": Sie sehen ihre Tätigkeit als Beruf – mehr nicht. Beachtenswert ist, dass diese Mitarbeiter offenbar am besten in der Lage sind, Herausforderungen zu bewältigen.

Wie sich zeigte, arbeiteten Mitarbeiter der dritten Gruppe am längsten im Tierheim. Probanden der anderen zwei berichteten häufiger über Burnout und Ermüdung – die für sie der Grund waren, mit der Arbeit aufzuhören. Der Zusammenhang scheint naheliegend: Ist der Job einfach nur ein Job, fällt es leichter, sich abzugrenzen.

Risiken und Nebenwirkungen

Dass auch Unternehmen auf Mitarbeiter angewiesen sind, die Dienst nach Vorschrift machen, betont Buchautor Kitz. "Visionen in die Welt posaunen, Theaternebel versprühen, Powerpoint-Wirbel veranstalten, Breakthrough-Targets ausrufen und Leuchtturmprojekte in Kick-off-Meetings starten – das klingt prima", konstatierte er kürzlich an anderer Stelle. "Aber jede Organisation funktioniert nur, wenn und weil so viele all das nicht tun." Zu Unrecht verspotte die Gesellschaft Menschen, "die einfach ihren Job machen".

Außerdem: "Ein nüchterner Kopf liefert bessere Ergebnisse als ein leidenschaftstrunkener. Und wer zu sehr in seine Arbeit vernarrt ist, wird kaum nach Möglichkeiten suchen, dasselbe Ergebnis mit weniger Arbeitsschritten hinzubekommen, also: effizienter zu sein", sagt Kitz.

Das bestätigen Forschungen von Joseph Paul Forgas, Wissenschafter an der School of Psychology an der Universität von New South Wales in Sydney. Wie er zeigte, machen schlechtgelaunte Mitarbeiter offenbar weniger Fehler, sind konzentrierter bei der Arbeit und kritischer. (lib, 12.4.2017)