Vlado Drabik (rechts) und Kevin Hundstorfer stehen am Tisch.

Foto: privat

Wien – "The Champ", so lautet sein Spitzname, bürgerlich heißt er Hundstorfer, Kevin Hundstorfer. Der 26-jährige Welser geht ab Mittwoch beim World Cup der Tischfußballer in Hamburg auf seinen dritten Einzeltitel los und führt als Kapitän das Team an, das sich in diversen Bewerben (Doppel, solo, Mannschaft) bei Männern und Frauen gute Chancen auf Medaillen ausrechnet.

Hamburg ist nicht irgendein Schauplatz, sondern eine Wuzzel-Hochburg schlechthin. Bei der WM werden 800 Aktive aus 40 Nationen an den 120 Tischen stehen, an fünf Bewerbtagen finden mehr als 2.000 Spiele statt. Hamburg hat 2006 auch die erste WM der ITSF (International Table Soccer Federation) ausgerichtet, damals landete Österreich als Gewinner des Teambewerbs einen besonderen Coup. Hundstorfer war noch nicht dabei, drückte erst etwas später den Word Cups in Nantes und Turin seinen Stempel auf.

Die Leidenschaft fürs Wuzzeln war ihm quasi in die Wiege gelegt, beide Eltern spielten begeistert, wenn auch nur auf Hobbyebene. Der Bub hat als 14-Jähriger begonnen und bald darauf seinen ersten Wuzzeltisch gekauft. "Von meinem eigenen Ersparten hab ich ihn bezahlt, das war schon ein guter Tisch, der hat circa 900 Euro gekostet. Er ist im Wohnzimmer gestanden, anders ist es sich leider nicht ausgegangen."

Was gefragt ist

Noch als Teenager stellte Kevin fest, dass er das Zeug zur Weltklasse hatte. Ein Sieg gegen den belgischen Ausnahmekönner Frederic Collignon im Jahr 2008 war mehr als bloß ein Fingerzeig. "Das war der Durchbruch, da war mir klar, ich musste meine Linie weiterverfolgen. Linie meint vor allem beinhartes, stundenlanges Training und einen gewissen Hang zum Perfektionismus. Was ansonsten beim Wuzzeln gefragt ist? "Natürlich Talent", sagt Hundstorfer, "beidhändige Koordination, schnelles Spielverständnis und mentale Stärke."

Die Paarung Hundstorfer/Drabik in Aktion.
Austrian Foos

Im Training ist er mittlerweile oft auf sich allein gestellt, den Verein in Wels gibt es nicht mehr. Manchmal trifft sich Hundstorfer mit einem Sparringspartner, manchmal fährt er übers Wochenende zum Training nach Wien, wo sein Doppelpartner Vladimir "Vlado" Drabik (39) in der Nähe des Matzleinsdorfer Platzes in Margareten den "Wuzzeltreff" hochgezogen hat, zwecks Training und Entspannung.

Der Tisch macht den Unterschied

Im Wuzzeltreff, das ist kein Nachteil, stehen Tische verschiedener Marken. Jede starke Wuzzel-Nation hat sozusagen ihren eigenen Tisch hervorgebracht, der Österreicher-Tisch ist der Garlando, den Hundstorfer wie folgt beschreibt: "Man braucht extrem viel Ballgefühl, weil der Ball nicht so griffig ist und manchmal nicht so gerade rollt wie auf den anderen Tischen. Da ist viel Feinmotorik gefragt." Hundstorfer bezeichnet übrigens nicht den Garlando, sondern das US-Modell Tornado als seinen Lieblingstisch. "Der Tornado ist am besten verbaut. In den Ecken nichts hochgezogen, deshalb gibt es auf der Goaliestange drei Figuren statt einer."

Auf den diversen Tischmarken finden diverse große Turniere statt, bei den besonders großen Turnieren wie dem World Cup werden sämtliche Marken bespielt. Da stehen dann Tornados und Garlandos und diverse andere Tische nebeneinander. Und der Spieler, der das Los gewinnt, kann sich aussuchen, auf welchem Tisch der erste Satz gespielt wird. Nach jedem Satz (bis 5) wird der Tisch gewechselt, und sollte es zu einem entscheidenden fünften Satz kommen, so hüpfen dann die Spieler nach jedem zweiten Tor quasi hin und her.

Paradies USA

Ziemlich ausgeklügelt, für Laien allerdings kaum nachvollziehbar. Mag sein, auch deshalb hat auf Turnierebene nie ein wirklicher Boom eingesetzt. Dazu kommt, dass das Wuzzeln TV-technisch nur schwer aufzubereiten ist, weil alles viel zu schnell passiert – geschossen wird mit bis zu 60 km/h. Die Summen, die im Spiel sind, lassen sich mit jenen im Darts nicht vergleichen. Weltweit gibt es eine Handvoll Spieler, die mit Tischfußball wirklich gutes Geld verdienen. Die meisten sind in den USA daheim, die eine europäische Ausnahme war Collignon. Der Belgier hatte praktisch schon aufgehört, in Hamburg will er es wieder wissen, mit 41.

In Nordamerika gibt es Turniere mit Dotation im sechsstelligen Bereich, etwa die "Hall of Fame" im März in Las Vegas. Hundstorfer ist noch nie dort gewesen, reizen würde es ihn schon, er müsste es halt "mit einem Urlaub verbinden. Sonst steht es sich unter Umständen nicht dafür". Jobtechnisch hat er umgesattelt, von Servicetechniker für Ultrahochgeschwindigkeitsfräsen auf Softwareprogrammierer. Bei den Eltern wohnt er natürlich längst nicht mehr. Aber manche Dinge ändern sich nie. Der Wuzzeltisch steht auch bei Kevin Hundstorfer daheim im Wohnzimmer. "Geht sich leider nicht anders aus." (Fritz Neumann, 11.4.2017)