Der Krieg in Syrien zwischen Regime und Rebellen: Keiner kann ihn gewinnen, und das Leiden der Zivilisten geht ins siebente Jahr. Kriegsverbrechen werden nicht nur mit Chemiewaffen begangen, wie vergangene Woche in Khan Sheikhun.

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Der Stand am Freitag war, dass es beim beschränkten punitiven – als Bestrafung gemeinten – Luftschlag bleiben würde, den die USA in der Nacht gegen die syrische Militärbasis Shayrat ausgeführt hatten. Die Schäden, die die Tomahawks an der Infrastruktur angerichtet haben, dürften beträchtlich sein. Aber dass es gemessen an der Aktion relativ wenige Tote gegeben hat, weist darauf hin, dass Personal vorher abgezogen wurde. Russland wäre demnach rechtzeitig verständigt worden, um die Information auch an die Syrer weitergeben zu können. Die Raketenabwehr wurde auch nicht eingesetzt.

Die USA selbst, aber auch Nato-Partnerländer stellten am Freitag klar, dass der Luftschlag gegen den Stützpunkt sich nicht zu einer US-Militärintervention gegen das Assad-Regime auswachsen sollte. Ein amerikanisches militärisches Engagement in Syrien gibt es ja bereits, auch mit Bodentruppen, aber gegen den "Islamischen Staat". Die Operation gegen den Ort, von dem die mutmaßlichen Giftgasbomber am Dienstag gegen die Stadt Khan Sheikhun in Bewegung gesetzt wurden, hatte demnach vor allem symbolischen Charakter. Die "rote Linie", die einst Barack Obama zog, hält ein Präsident Donald Trump ein.

Aber auch wenn international die Tendenz besteht, den Luftschlag vor allem mit dem persönlichen Charakter Trumps zu verbinden, geht es in Wahrheit natürlich um viel mehr. Die neue Syrien-Strategie der USA ist noch nicht ausformuliert. Die einzelne Militäraktion macht längerfristig jedoch nur Sinn, wenn sie politisch begleitet wird.

Was wird aus Astana?

Wenn Trump "das Schlachten in Syrien beenden" will, wie er sagt, dann braucht es eine diplomatische Lösung, die wiederum nicht ohne Waffenruhe auf den Weg gebracht werden kann. Über diese wurde bisher in Astana unter der Ägide Russlands, der Türkei und des Iran verhandelt – unter praktischer Abwesenheit der USA. Das könnte sich ändern.

Das geht aber nur, wenn das russisch-amerikanische Verhältnis trotz allem halbwegs stabil bleibt: Zumindest am Freitag blieb der für nächste Woche geplante Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson in Moskau auf dem Programm. Aber Russlands Präsident Wladimir Putin muss nun seine Vorstellungen revidieren, dass der Kampf gegen den "Islamischen Staat" und Al-Kaida das Einzige ist, was Trump in der Region interessiert.

Dennoch bleibt der IS für beide Seiten ein Anliegen, und sie werden doch versuchen, die beiden Themen – Assad und der Aufstand einerseits und "War on Terror" andererseits – auseinanderzuhalten. Einfach wird das nicht. Die "Unfallgefahr" wird jedenfalls größer.

Die russische Version

Russland bleibt auch bei seiner Version, dass Assad nicht für das Giftgas verantwortlich war. Das Argument, dass es keine gesicherten Erkenntnisse über die Urheberschaft gibt, ist jedoch für die USA irrelevant, ebenso, dass die Aktion von den meisten Völkerrechtlern als illegal bezeichnet werden wird. Trumps Begründung – Assad produziert Flüchtlinge, Flüchtlinge sind eine Gefahr für die Stabilität von US-Verbündeten und somit für die USA – war eher hausbacken: Dann wäre wohl eine Intervention auf höherem Niveau fällig. Nein, es ging darum, zu zeigen, dass die USA wieder ihre Handlungsfähigkeit zurückgewonnen haben, die – so sehen es dessen Kritiker – unter Obama verlorenging.

Das war ein wichtiges Signal an Trumps ungeduldig werdende Adoranten in der Region. Die US-Politologin Ellen Laipson, die unter Obama hohe Beratungsfunktionen bekleidete, sagte am Dienstag im Bruno-Kreisky-Forum in Wien, dass es etwa für Saudi-Arabien enttäuschend war, als sich abzeichnete, dass das "Ordnungsprinzip" für die künftige US-Nahostpolitik der Konterterrorismus und nicht die Eindämmung des Iran sei. Das könnte sich mit dem Militärschlag von Shayrat geändert haben.

Denn das politische Signal an Russland ist, dass es im innersyrischen Konflikt eben keine freie Hand hat: auch – oder vor allem – nicht, was die iranische Rolle oder jene der schiitischen Milizen, allen voran der libanesischen Hisbollah, in einer zukünftigen syrischen Ordnung betrifft. Hier ist auch Israel betroffen.

Zu Obamas Zeiten galt das Verhältnis zwischen Premier Benjamin Netanjahu und Wladimir Putin als eng – wobei Netanjahu das schon als Kontrast zu seinen schlechten Beziehungen zu Obama so herausgestellt haben mag. In den letzten Wochen scheint eine Wende eingetreten zu sein, und zwar seit Netanjahus Besuch bei Putin am 9. März.

Vielleicht hat Putin Netanjahu in Bezug auf Iran nicht die Zusagen gemacht, die die Israelis erhofften. Kurz darauf folgte einer der israelischen Militärschläge gegen Ziele in Syrien: keine Seltenheit – aber diesmal zeigten sich die Russen offen verärgert.

Israel hat die US-Militäroperation Freitagfrüh begrüßt und den Amerikanern zuvor wohl auch übergeben, was es an Informationen über eine Assad-Urheberschaft des Giftgasangriffs hatte. In einem Telefonat mit Netanjahu, das vor dem Luftschlag geführt wurde, hatte Putin es als "inakzeptabel" bezeichnet, dass israelische Regierungsmitglieder Assad eindeutig als Täter benannt hatten.

Es geht auch um Iran

Der israelisch-russische Honeymoon ist demnach erst einmal vorüber. Das ist ein Zeichen, dass die Phase wirklich beginnt, in der um eine Syrien-Lösung gerungen wird – in der Israel den Iran eben nicht quasi als neuen Nachbarn akzeptieren wird. Für die Russen ist es jedoch gar nicht so einfach, die Iraner auszubooten, selbst wenn sie es wollten: Zwar hat das russische Eingreifen aus der Luft ab September 2015 die große Wende für Assad gebracht, aber auf dem Boden sind die Iraner und ihre Klienten unverzichtbar.

Dementsprechend erfreut zeigte sich Saudi-Arabien über Trumps Vorgehen: Auch für die arabischen Golfstaaten, die die syrischen Anti-Assad-Rebellen von Beginn an massiv unterstützten, war zwar der Sturz Assads das Ziel – aber das Brechen des iranischen Einflusses in Syrien und dem Libanon der große Preis. Der "disruptive" Stil Trumps passt zudem viel besser zur neuen saudischen Politik unter König Salman – oder besser unter seinem Sohn, Verteidigungsminister und Vizekronprinz Mohammed bin Salman – als Obamas Abwägen.

Seine eigenen Gedanken zu der Sache hat aber gewiss der bei seinem Besuch in Washington hochgelobte ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi: Er ist eindeutig der "War on Terror first"-Fraktion zuzurechnen. In der Tat kann sich niemand wünschen, dass der Anti-IS-Kampf zum Kollateralschaden der Aktion wird.

Assad zurechtgestutzt

Die Gesamtkonstellation des Konflikts zwischen Regime und Rebellen beziehungsweise Opposition hat sich nicht geändert. Trump hat sich nicht dazu geäußert, ob seine erst Anfang der vergangenen Woche formulierte Position nunmehr hinfällig ist: dass Assad in einer Übergangszeit an der Macht bleiben wird. Assad sollte wohl eher zur Einsicht gezwungen werden, dass er eben nicht, wie er immer wieder großspurig ankündigt, nach Beseitigung aller "Terroristen" wieder ganz Syrien kontrollieren wird. Aber solange ihn Russland und Iran nicht fallen lassen – und das werden sie nicht -, bleibt er für die Transition im Spiel.

Dementsprechend nüchtern sieht die Opposition die Militäroperation von Freitagfrüh. Sie rechnet nicht damit, in Trump einen Beschützer oder Verbündeten gewonnen zu haben. Insofern wird auch nicht die wünschenswerte Absetzbewegung der moderaten von den radikal islamistischen Kräften einsetzen.

Wer dann letztlich die Provinz Idlib kontrollieren wird, in die sich Rebellen auch im Rahmen von lokalen Kapitulationen zurückgezogen haben – falls sie Assad nicht zurückerobern darf -, bleibt zu sehen. Eine Fraktionierung Syriens wird dabei immer wahrscheinlicher. Falls die USA wieder mitspielen, werden sie darauf bestehen, dass ihre Verbündeten Rollen übernehmen, etwa Jordanien im Süden Syriens. Das syrische Spiel, tödlich für so viele Menschen, geht weiter. (Gudrun Harrer, 7.4.2017)