Kritik an hohen Kosten, Bestnote für Lebensqualität in Österreich.

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Wien – Die Trendumkehr ist in Sicht. Nachdem Österreich in den letzten zehn Jahren kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit im globalen Vergleich als Wirtschaftsstandort eingebüßt hat, zeichnet sich laut Deloitte Radar ein Ende des Abwärtstrends ab. Dazu hat der Wirtschaftsprüfer die Österreich-Daten von fünf Standortrankings (WEF, IMD, INSEAD, Transparency International und OECD Better Life) miteinander verglichen sowie volkswirtschaftliche Kennzahlen und Deloitte-eigene Untersuchungen zu einem Art Meta-Index – dem "Deloitte Radar" – zusammengefasst.

Österreich liegt laut der Studie auf Platz 19 der weltweit attraktivsten Wirtschaftsstandorte. Nummer eins ist die Schweiz, es folgen Schweden, die USA, die Niederlande und Finnland. "Österreich ist in keinem Ranking in den Top 10, aber in vier Rankings in den Top 20", so Bernhard Gröhs, Managing Partner von Deloitte Österreich. In drei Rankings konnte sich Österreich gegenüber dem Vorjahr leicht verbessern. Gröhs: "Jetzt heißt es, dieses Momentum zu nutzen."

Rückkehr der Investitionsfreude

Sieben Faktoren, die für den Standort entscheidend sind, wurden untersucht. Beim politischen und makroökonomischen Umfeld konnte sich Österreich steigern. Drei von fünf Punkten bedeutet einen Punkt mehr als im Vorjahr. Die Konjunktur ziehe an, und die Investitionen der Unternehmen würden wieder zunehmen. Zahlreiche Konzepte zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit würden auf dem Tisch liegen. Mehrere Faktoren zeigten nach oben: Beim BIP-Wachstum kann Österreich insbesondere wegen der starken Binnennachfrage erstmals wieder mit der EU-Entwicklung mithalten. In der Folge kehrte bei vielen Unternehmen die Innovationsfreude zurück. Mit dem überarbeiteten Arbeitsprogramm signalisiere die Regierung Reformbereitschaft in einigen wichtigen Themen.

Kritik an Bürokratie

Das regulatorische Umfeld bewerten die Experten dagegen gleich nüchtern wie im Vorjahr mit nur zwei Punkten. Zu viel Bürokratie und eine Fülle an Auflagen würden Unternehmen behindern. Ansätze für Deregulierung seien zwar vorhanden, deren Umsetzung stehe weitgehend aber noch aus. Gröhs: "Es braucht keinen starken, sondern einen smarten Staat. Das Ziel der kommenden Jahre muss eine kontinuierliche Senkung der Steuer- und Abgabenquote sein." Auch bei Digitalisierung, Innovation und Forschung gibt es noch Luft nach oben. Mit vier Punkten liegt Österreich hier gleich wie im Vorjahr. Die am schnellsten wachsenden Innovatoren sind laut Innovation Index Lettland, Malta, Litauen, die Niederlande und die skandinavischen Länder. "Österreich muss alles daran setzen, durch Förderung der Innovations-Outputs zu den Innovation Leaders in Europa aufzuschließen", so Barbara Edelmann, Partnerin bei Deloitte Österreich.

Teure Verwaltung

Die schlechteste Wertung erhielt der heimische Wirtschaftsstandort einmal mehr im Bereich "Kosten" mit nur einem Punkt, weil Österreich im internationalen Vergleich eine hohe Abgabenquote mit aufwendig administrierbaren Steuerregelungen habe. Weiterer Kritikpunkt: zu wenig Budgetdisziplin in der Verwaltung.

Verbesserungspotenzial gebe es auch am österreichischen Arbeitsmarkt. Neben einer entgegen dem EU-Trend steigenden Arbeitslosigkeit gebe es bei der Ausschöpfung des vorhandenen Erwerbspotenzials Aufholbedarf. Österreich hinke auch bei der Arbeitszeitflexibilisierung anderen EU-Ländern hinterher, so Gundi Wentner, Partnerin von Deloitte. Ebenfalls ausbaufähig sei Chancengleichheit: Ältere Arbeitnehmer, Menschen mit Behinderung, Migranten und auch Frauen hätten es nachweislich schwer, Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden. Punkten kann Österreich bei der Lebensqualität, hier gibt es die volle Punkteanzahl.

Um das Momentum der Trendumkehr zu nutzen, brauche es laut Gröhs eine klare Vision: "Top Drei in Europa und Top Ten weltweit bis 2025."

"Wir beurteilen den Standort Österreich weniger an den Ergebnissen von Manager-Befragungen, sondern an den Hard Facts und der Lebenssituation der Bevölkerung", so Markus Marterbauer, Wirtschaftsexperte in der Arbeiterkammer, in einer Reaktion auf den Deloitte Radar. In einer Aussendung betont er, dass ein gut ausgebauter Sozialstaat, der allen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen zugutekommt, eine höhere Abgabenquote als in Ländern mit schlechterer sozialer Absicherung rechtfertigt. (ch, 6.4.2017)