Ubuntu ergibt sich der Realität und verabschiedet sich von den Eigenentwicklungen Unity und Mir.

Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Der Softwarehersteller Canonical kehrt zu seinen Wurzeln zurück: In einem Blogeintrag kündigt Firmengründer Mark Shuttleworth nicht nur einen grundlegenden Strategiewechsel des Unternehmens an, die Linux-Distribution verabschiedet sich auch von einigen über die Jahre vorangetriebenen Eigenentwicklungen.

GNOME statt Unity

"Wir stellen jegliche Arbeit an Smartphone- und Tablet-Versionen von Ubuntu ein", betont der südafrikanische Software-Milliardär, der die Distribution seit ihren Anfängen finanziert. Der Desktop wird zwar als Produkt fortgesetzt, man wechsle aber auf jene Strategie zurück, die man in den Anfangsjahren gewählt hatte: in Zukunft will man den Desktop also wieder direkt von anderen Projekten übernehmen. Bereits Ubuntu 18.04 LTS soll erneut mit dem GNOME-Desktop ausgeliefert werden, die Eigenentwicklung Unity werde hingegen eingestellt und nur mehr im Rahmen der offenen Support-Verpflichtungen gepflegt.

Wayland statt Mir

Damit geht noch ein zweiter zentraler Technologiewechsel einher: Der eigene X.org-Nachfolger Mir wird nämlich ebenfalls eingestampft. Stattdessen will man künftig auf das die selben Ziele verfolgende Wayland setzen.

Abschiednehmen von Unity 8
Will Cooke

Bei Canonical hatte man die Zukunft viele Jahre lang in der Konvergenz der verschiedenen Plattformen gesehen. Mit dem auf Mir basierenden Unity 8 sollte eine gemeinsame Oberfläche vom Smartphone bis zum Desktop geschaffen werden. Jenseits der mobilen Welt kamen diese Bemühungen aber nie über den experimentellen Status hinaus, anvisierte Termine für den Wechsel auf die neue Desktop-Generation wurden Jahr für Jahr verschoben.

Jahrelange Kontroversen

Mit der aktuellen Ankündigung beendet Canonical auch zwei seiner diversen, aus der restlichen Linux-Welt oft lautstark kritisierten, Alleingänge. Sorgte schon der vor sechs Jahren vorgenommene Wechsel auf Unity für viel Kopfschütteln bei anderen Distributionen, kam es über andere Technolgieentscheidungen zum Teil zu offen ausgetragenen Streitigkeiten. So weigerte sich etwa das KDE-Projekt, Patches zur Unterstützung von Mir aufzunehmen.

Der Vorwurf lautete, dass Canonical hier sinnlos Wayland nachbaue, das von praktisch allen anderen Distributionen- und anderen Linux-Projekten unterstützt wird. Dies nur um mit allen Mitteln eine Eigenentwicklung samt einer umstrittenen Dual-Lizenz durchzudrücken. Über diese nimmt sich Canonical exklusive Rechte heraus, um Mir und Co. auch in kommerziellen Versionen anbieten zu können. Diese Ungleichheit hat denn auch dazu geführt, dass sich praktisch nie andere Distributionen an von Ubuntu initiierten Softwareprojekten beteiligt haben.

Einsicht

In den letzten Jahren war allerdings auch bereits eine leichte Rückwärtsbewegung zu beobachten. So verwendet Ubuntu mittlerweile das von der restlichen Linux-Welt genutzte Systemd als Startsystem statt der Eigenentwicklung Upstart. Und auch am Desktop hat man die Zahl der Patches für die verwendeten GNOME-Programme langsam reduziert. Parallel dazu war die Entwicklung von Unity am Desktop größtenteils eingeschlafen, die vergangenen Releases zeichneten sich eigentlich nur mehr durch Bugfixes aus.

Ausblick

Die finanzielle Zukunft von Canonical sieht Shuttleworth nun in anderen Bereichen, die man zuletzt immer stärker ausgebaut hat. Dazu gehört das Cloud-Geschäft aber auch der Verkauf von Support-Lizenzen im Desktop- und Server-Bereich. (Andreas Proschofsky, 6.4.2017)