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Reales oder virtuelles Einkaufswagerl: Lebensmittelhändler fahren zweigleisig.

dapd

Wien – Frank Hensel lässt sich auf keinerlei Spekulationen über den wachsenden Online- und sterbenden stationären Einzelhandel ein. Niemand wisse, welcher Anteil an Lebensmitteln künftig tatsächlich übers Internet eingekauft werde, sagt der Chef der Rewe International. Aber selbst zwei, drei Prozent weniger Umsatz könnten Schicksale besiegeln. Als großer Händler habe man gar keine andere Wahl, als online von Anfang an mit dabei zu sein. "Denn diese Prozesse sind viel zu komplex, um später noch auf den Zug aufspringen zu können."

Hensel glaubt dennoch fest an ein Bestehenbleiben beider Welten. Reine Internetanbieter suchten so etwa derzeit Wege in stationäre Flächen. "Das tun sie nicht aus Jux und Liebe, sondern weil sie Menschen nicht in dem Ausmaß erreichen, wie sie es sich vorstellten." Im Gegenzug würden Standorte, die sich aufgrund eines stärkeren Webhandels erübrigten, neue Rollen übernehmen, sich etwa für die Gastronomie und für Dienstleistungen anbieten.

Neues Lager für Onlineshop

Anders als Rivale Spar übt sich Rewe in Österreich seit Jahren im Onlinehandel. 40 Millionen Euro will der Konzern damit heuer umsetzen. Bei der Vertriebslinie Billa stieg das Webgeschäft im Vorjahr um 160 Prozent. Ende Mai eröffnet in Inzersdorf ein eigenes Lager für den Onlineshop, von dem aus der Großraum Wien beliefert werden soll. Gewinne gibt es in der Sparte nach wie vor nicht, was Hensel gelassen sieht. Es gehe ja um Investitionen in die Zukunft.

Dass Amazon mit dem Versand von Lebensmitteln nach Berlin in Österreich loslegen will, bezweifelt der Rewe-Chef. Der Internetriese habe vorher andere Märkte im Visier. "Wir haben vor Amazon Respekt, aber keine Angst."

Österreichs größter Lebensmittelkonzern baute den Umsatz im Vorjahr hierzulande um drei Prozent auf 8,4 Milliarden Euro aus. Die Zahl der Mitarbeiter stieg um 1200 auf 42.300. Inklusive der von Wiener Neudorf aus gesteuerten CEE-Märkte setzten 3633 Filialen 12,7 Milliarden Euro um. In Österreich dominiert Rewe mit Merkur, Billa, Penny, Adeg und Bipa mehr als 35 Prozent des Marktes.

Bipa auf den Kopf gestellt

Für Ausreißer nach unten sorgte jüngst Bipa. Die Drogeriemarktkette geriet angesichts von dm und hohen Preisdrucks ins Hintertreffen, verlor an Umsatz, reihenweise wechselten ihre Manager. "Wir haben alles auf den Kopf gestellt", räumt Hensel ein. Sortiment und Filialen würden derzeit stark umgebaut, jede Woche erhielten 30 Standorte ein Facelifting.

Die versprochene Trendwende bei Bipa wird Hensel selbst nicht verkünden. Der gebürtige Deutsche lenkt Rewe in Österreich seit neun Jahren als Vorstandsvorsitzender, zuvor war er drei Jahre im Vorstand. Im April 2018 verlässt er die Konzernspitze der Rewe International. Fünf Vorstände werden dann ohne Vorsitzenden direkt an die Kölner Zentrale berichten. Der Österreicher Marcel Haraszti verantwortet ab Juni neben Bipa auch die übrigen Rewe-Töchter. Er sammelte zuvor Erfahrungen in Rumänien, Litauen, Lettland und Deutschland. Eine Frau findet sich in der Vorstandsriege im Übrigen nicht, was Hensel bedauert. Auf zweiter Ebene seien diese im Gegensatz zu anderen Handelsfirmen aber vertreten, betont er. Mittelfristig würden sie im Interesse des Unternehmens sehr wohl den Weg an die Spitze antreten. "Ist die Frau besser als der Mann, nehmen wir auf jeden Fall sie."

Neu von Deutschland nach Österreich holt Rewe International die Führung des Diskonters Penny, was der Gruppe vier Milliarden zusätzlichen Umsatz bringt. Wiener Neudorf steuert damit in Summe 4000 Filialen in zehn Ländern. Statt bisher 400 investiert der Konzern künftig im Schnitt 800 Millionen Euro im Jahr. (vk, 6.4.2017)