Berlin/Stuttgart – Unter dem Druck schärferer Klimaschutzvorschriften gibt Daimler bei der Produktion von umweltschonenden Elektroautos Gas. Das emissionsfreie Fahren stehe im Zentrum der Strategie des Konzerns, erklärte Daimler-Chef Dieter Zetsche am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Berlin. "Diesem Ziel nähern wir uns in immer größeren Schritten."

Das Angebot von batteriebetriebenen Autos der neuen Elektroautomarke EQ wird demnach um drei Jahre beschleunigt. Mehr als zehn Modelle einschließlich der Kleinwagenmarke Smart sollen bis 2022 und nicht erst bis 2025 in Serie gehen. Auch setzt der deutsche Konzern weiter auf die vergleichsweise spritsparenden Dieselmotoren, was Aktionäre angesichts noch laufender Ermittlungen wegen überhöhter Stickoxid-Werte kritisierten.

Modelloffensive

Die ab 2019 beginnende Modelloffensive ist ein wichtiger Beitrag, damit der Autobauer die schärferen Vorschriften für CO2-Emissionen in der Europäischen Union einhalten kann. Ab 2020 dürfen Neuwagen im Schnitt nur noch 95 Gramm des umweltschädlichen Klimagases je Kilometer ausstoßen und damit rund vier Liter Kraftstoff je 100 Kilometer verbrauchen. Der für jeden Autohersteller speziell festgelegte Wert liegt für Daimler bei 100 Gramm. Im vergangenen Jahr konnte der erstmals seit Einführung der Klimaschutzgesetze in der EU 2007 den Wert nicht weiter reduzieren. Im Flottendurchschnitt stagnierte der Wert bei 123 Gramm, was Forschungschef Ola Källenius zufolge an der hohen Nachfrage nach größeren SUVs lag.

Neben Elektroautos sind deshalb auch Wagen mit Plug-in-Hybrid- und Diesel-Antrieb wichtig in der Produktpalette, auch wenn der Diesel-Motor durch den Skandal um Abgasmanipulationen in Verruf gekommen ist. Hier steht auch Daimler unter Druck. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitete vergangene Woche Ermittlungen gegen Daimler-Mitarbeiter wegen Betruges und strafbarer Werbung im Zusammenhang mit Schadstoffemissionen von Dieselautos ein. Zetsche bekräftigte dazu, weder das Kraftfahrtbundesamt noch das Bundesverkehrsministerium hätten bei Messungen einen Verstoß gegen geltendes Recht festgestellt.

Aktionäre ließen sich damit nicht abspeisen. So warf Jens Hilgenberg im Namen der Kritischen Aktionäre und des Umweltverbandes BUND Daimler vor, mit verantwortlich zu sein für massive Gesundheitsschäden. Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment äußerte die Besorgnis, Daimler könnten wegen Sammelklagen von US-Kunden und Untersuchungen der US-Justiz ähnliche Milliardenstrafen wie Volkswagen drohen. "Droht ein neues Dieselgate?", fragte Speich.

Lkw-Kartell

Auch Schadensersatzklagen von Kunden wegen der Beteiligung von Daimler am Lkw-Kartell sorgten für kritische Nachfragen nach Rückstellungen und Haftungsansprüchen an verantwortliche Manager. Über die Höhe der Rückstellungen wollte Finanzvorstand Bodo Uebber "aus prozesstaktischen Gründen" keine Angaben machen. Aufsichtsratschef Manfred Bischoff stellte klar, dass die rechtlichen Prüfungen bisher keine Ansprüche gegen frühere oder aktuelle Vorstandsmitglieder rechtfertigten. Doch seien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen und etwaige Ansprüche nicht verjährt. Die EU hatte Daimler im vergangenen Jahr wegen der Beteiligung an illegalen Preisabsprachen von 1997 bis 2011 ein Bußgeld von rund einer Milliarde Euro auferlegt.

Die hohen Investitionen in Elektromobilität, autonomes Fahren oder Digitalisierung kann Daimler unterdessen dank sprudelnder Gewinne stemmen. Die Pkw-Sparte Mercedes-Benz startete erneut mit einem Absatzrekord ins Jahr. Die sehr positive Entwicklung der Verkaufszahlen habe sich im März fortgesetzt, teilte der Konzern mit. "Das Unternehmen erwartet damit den höchsten Absatz in einem Quartal." Die Nachfrage sei vor allem nach der neuen E-Klasse, dem absatzstärksten Modell C-Klasse und SUVs hoch. In der kleineren Lkw-Sparte Daimler Trucks ging es dagegen von Jänner bis März weiter abwärts, was vor allem an der Schwäche des US-Marktes lag. Es werde deshalb ein Absatz im ersten Quartal unter Vorjahresniveau erwartet. (APA/Reuters, 29.3.2019)