Tel Aviv, die zweitgrößte Stadt Israels, ist ein Zentrum der Hightech-Industrie.

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Grafik: Standard/Reuters

Auf dem Markt, im Bus oder am Falafelstand – wer dieser Tage in Israel unterwegs ist, kommt an einem Thema kaum vorbei: Mobileye. Die Erfolgsgeschichte des Hightech-Unternehmens ist das jüngste und bislang spektakulärste Aushängeschild der selbst ernannten "Start-up-Nation".

1999 von einem Forscher der Hebrew University in Jerusalem zur Entwicklung von Fahrassistenzsystemen gegründet, entwickelte sich Mobileye schnell zum führenden Spezialisten für Kameras im Bereich Autonomes Fahren. Vor zwei Wochen wurde das Unternehmen, das mittlerweile 600 Mitarbeiter zählt, vom US-Chiphersteller Intel für umgerechnet 14,4 Milliarden Euro gekauft. Das ist der bisher größte Deal in der Hightech-Branche des Landes.

Keine Berührungsangst

Auch bei Yissum, einem Technologietransferunternehmen der Hebrew University, ist man auf die Übernahme stolz. Schon 1964 gegründet, ist Yissum eine eigenständige, profitorientierte Firma im Vollbesitz der Universität. Seit damals wurden nahezu 10.000 Patente angemeldet und 120 Spin-offs gegründet – und eines davon ist Mobileye.

"Wird ein Patent angemeldet, erhalten die beteiligten Wissenschafter 40 Prozent der Einnahmen daraus, 20 Prozent gehen an ihr Labor und der Rest an die Universität", sagte Dana Gavish-Fridman von Yissum im Rahmen einer Studienreise des Forschungsverbunds Austrian Cooperative Research (ACR) nach Jerusalem und Tel Aviv vergangene Woche.

Die Universität deckt damit ein Zehntel ihres Forschungsbudgets. Mit etlichen multinationalen Konzernen gibt es zudem langfristige Forschungskooperationen. Berührungsängste mit der Privatwirtschaft gibt es hier definitiv keine. Die Schattenseite der Marktorientierung: Forscherkarrieren hängen zunehmend von Patentanmeldungen ab, universitäre Grundlagenforschung fällt zugunsten früher Anwendungsorientierung zurück.

Innovationsdruck

Israel gilt neben dem kalifornischen Silicon Valley als Innovationshochburg schlechthin. In den vergangenen zehn Jahren wurden hier mehr als 8000 junge Unternehmen aufgebaut, vor allem im Hightech-Sektor, in dem rund 500.000 Menschen beschäftigt sind. Allein im Vorjahr gab es 1400 Neugründungen.

Freilich verschwindet der Großteil davon schnell wieder, doch landesweit sind zu jeder Zeit durchschnittlich 6000 Start-ups aktiv. "In Israel haben wir keine andere Wahl als neue Dinge auszuprobieren", sagt Harold Wiener von Terra Venture Partners, einem privaten Fonds, der bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Ideen hilft. "Der heimische Markt ist zu klein, und um uns auf anderen Märkten zu etablieren, brauchen wir Produkte, von denen noch niemand weiß, dass er sie braucht."

Riskante Investitionen

Das schlägt sich im Risikokapital nieder. Allein bei Terra Venture legt der Staat auf jeden in ein Start-up investierten Schekel sechs weitere drauf. Auch der Mangel an Ressourcen wie Wasser, die außenpolitische Lage und gesellschaftliche Konflikte in dem jungen Staat, der 2018 sein 70-jähriges Bestehen feiern wird, stärken nach Wieners Ansicht Innovation und Risikofreudigkeit. Die Notwendigkeit ständiger Improvisation und flexibler Problemlösungen wirke dabei wie ein Antriebsmotor: "Scheitern ist in Israel keine Schande, eher im Gegenteil: Ein Fehlschlag gilt hier als Erfahrung."

Das sieht auch Anya Eldan von der Start-up-Abteilung der israelischen Innovation Authority so. Die mittlerweile vom Wirtschaftsministerium unabhängige Behörde fördert über Public-Private-Partnerships jährlich 2000 Projekte aus allen Bereichen – mit Ausnahme von Grundlagen- und militärischer Forschung. Ausgewählte Projekte von Start-ups werden mit bis zu 85 Prozent der Projektsumme unterstützt, Universitäten mit bis zu 90 Prozent – das Hauptrisiko liegt bei der Behörde.

"Durchschnittlich fließen etwa 35 Prozent unserer Investitionen wieder zurück. Wären es mehr, würden wir zu wenig Risiko eingehen", so Eldan. Wird ein gefördertes Unternehmen aber aufgekauft und ins Ausland verlegt, muss es die dreifache Fördersumme zurückzahlen.

Hohe Auslandsinvestitionen

Was Ausgaben für Forschung und Entwicklung betrifft, liegt Israel mit 4,3 Prozent des BIPs an der Weltspitze. Auffallend ist der große Anteil an Auslandsinvestitionen, die fast die Hälfte davon ausmachen (siehe Grafik). Mehr als 320 Forschungs- und Entwicklungszentren multinationaler Konzerne haben sich in Israel – einem Land, das mit einer Fläche von 22.000 Quadratkilometern nur geringfügig größer ist als Niederösterreich, niedergelassen.

An langfristigen Strategien, das hohe Innovationslevel des Landes zu halten, mangle es noch, meinte Harold Wiener. "Wir sind das beste Land der Welt, um ein Unternehmen zu gründen, aber das schlechteste, um es am Leben zu erhalten." (David Rennert, 29.3.2017)