Ersten Internierungen hätten in Ungarn am Dienstag starten sollen. Nun wurden sie vom EGMR gestoppt.

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In Ungarn gilt seit Dienstag das international stark kritisierte neue Asylgesetz. Es schreibt vor, dass Asylsuchende grundsätzlich und für die Dauer ihres Verfahrens in zwei Container-Camps unmittelbar an der Grenze zu Serbien interniert werden. Das gilt auch für unbegleitete Minderjährige, die älter als 14 Jahre sind.

Das Gesetz sieht zudem vor, dass bereits anerkannte Asylwerber, die sich in festen Lagern und Heimen im ganzen Land aufhalten, gleichfalls in die beiden "Transitzonen" – Container-Burgen bei Röszke und Tompa – gebracht werden. Nach einer Eingabe des Ungarischen Helsinki-Komitees reagierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg noch am Montagabend mit einer einstweiligen Verfügung. Diese untersagt es Ungarns Behörden vorläufig, acht Jugendliche und eine schwangere Frau, die derzeit im Kinderheim Fót bei Budapest untergebracht sind, nach Röszke oder Tompa zu verlegen.

Aber auch das grundlose Wegsperren von erwachsenen Asylwerbern verstößt gegen europäisches und internationales Recht. So sieht dies zumindest ein jüngstes Urteil desselben Gerichts: Es verurteilte Ungarn zu Entschädigungszahlungen, weil es zwei Männer aus Bangladesch ohne Grund in den "Transitzonen" festgehalten und dann nach Serbien zurückgeschoben hat.

Keine Kritik von der EU

Stoischer verhält sich da die EU-Kommission. Migrations- und Innenkommissar Dimitris Avramopoulos reiste ausgerechnet am Dienstag in die ungarische Hauptstadt, um mit den zuständigen Ministern der Regierung von Viktor Orbán über die europäische Sicherheits- und Migrationspolitik zu parlieren.

Das neue Gesetz sei wohl auch diskutiert worden, so der EU-Kommissar in einer anschließenden Erklärung vor der Presse. Wie kontrovers oder nicht es dabei zuging, wollte der Mann aus Brüssel aber nicht wirklich enthüllen, denn vor den anwesenden Journalisten ging er über folgende Feststellung nicht hinaus: "Im freundschaftlichen Geiste der positiven Kooperation haben wir beschlossen, über unsere Experten zusammenzuarbeiten, um zu gewährleisten, dass auch den EU-Regeln Rechnung getragen wird."

Den neben ihm stehenden Ministern Sándor Pintér (Inneres) und László Trócsányi (Justiz) dürfte das gefallen haben. Die EU wird also vorerst nichts tun, während die ungarischen Behörden das Gesetz umsetzen. Seine Wirkung wird es wohl nicht verfehlen: Die Internierung in den Container-Burgen wird sich herumsprechen, immer weniger Flüchtlinge werden dann bei den beiden "Transitzonen" unmittelbar am Grenzzaun zu Serbien Einlass nach Ungarn begehren.

Tritte und Hundebisse

Dafür könnten sie sich vermehrt den Schleppern anvertrauen, die ihnen versprechen, sie durch den Grenzzaun nach Ungarn und in den Westen zu lotsen. Viele, aber nicht alle wurden dabei bislang von den ungarischen Behörden ertappt. Oft blühen ihnen dann Schläge, Tritte und Hundebisse, wie NGOs bereits dokumentierten – und in jedem Fall die Rückschiebung nach Serbien. Dort warten sie auf die nächste Gelegenheit, um es aufs Neue zu versuchen. (Gregor Mayer aus Budapest, 28.3.2017)