Die Richter des US Supreme Court werden auf Lebenszeit ernannt. Präsident Donald Trump nominierte den 49-jährigen Neil Gorsuch.

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Neil Gorsuch, der Wunschkandidat von US-Präsident Donald Trump für den Supreme Court, hat sich als Jurist mit sehr konservativen Ansichten und engen Verbindungen zum republikanischen Establishment einen Namen gemacht. Insgesamt zehn Jahre war er am Berufungsgerichtshof in Colorado tätig, wo er sich einerseits einen ausgezeichneten Ruf als konservativer Richter erarbeitete, bei diversen Fällen aber andererseits auch Aufschrei aus moderaten Reihen kassierte.

Gorsuch habe wiederholt Partei für Unternehmen und gegen Arbeitnehmer ergriffen und seine Feindseligkeit gegenüber Frauenrechten demonstriert, kritisiert etwa der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer. Er will zusammen mit mehr als 20 anderen Demokraten Gorsuchs Nominierung durch "Filibuster" (Dauerreden) blockieren. Die Abstimmung im Senat soll am 7. April stattfinden.

Gorsuchs juristische Vergangenheit zeigt einen Verteidiger religiöser Freiheit und des sogenannten Originalismus. Nach dieser juristischen Lehrmeinung, die auch der verstorbene Supreme-Court-Richter Antonin Scalia vertrat, sollen die Worte der Verfassung so ausgelegt werden, wie sie zur Zeit ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert gemeint waren. Gorsuchs Urteile zeigen aber auch einen Richter, der trotz konservativer Ansichten nicht immer im Sinne der Behörden entschied. Eine Auswahl Gorsuchs umstrittenster juristischer Entscheidungen:

Transam Trucking Inc v. Department of Labor, 2016

Die meisten Schlagzeilen machte wohl eine Entscheidung Gorsuchs im Jahr 2016, die Entlassung eines Lkw-Fahrers der Firma Transam für rechtens zu befinden. Nachdem die Bremsen seines Anhängers bei Temperaturen um minus 30 Grad festgefroren waren, entschloss sich der Fahrer Alphonse Maddin – gegen die Anweisung seiner Firma –, den Anhänger mit dem Frachtgut zurückzulassen, um sich vor der Kälte in Sicherheit zu bringen. Die Mehrheit der Richter am Berufungsgericht urteilte zugunsten Maddins und berief sich auf die Whistleblower-Klausel, die Arbeitnehmern unter Bedingungen wie Gefahr ernsthafter Verletzung erlaubt, sich zu weigern, ein Vehikel zu steuern. Gorsuch argumentierte, dass sich Maddin eben nicht weigerte, den Truck zu fahren, sondern entgegen der Anweisung des Arbeitgebers damit davonfuhr. Es gebe kein Gesetz, das dem Arbeitnehmer erlaube, ein Vehikel in einer Weise zu steuern, die der Arbeitgeber verbiete – und es sei nicht Aufgabe des Gerichts, ein solches Gesetz zu verfassen. Seine einzige legale Option wäre gewesen, abzuwarten.

Hobby Lobby v. Sebelius, 2013

Das Bastelunternehmen Hobby Lobby hatte gegen die Vorgabe geklagt, im Rahmen der Gesundheitsreform Obamacare für seine Angestellten auch die Kosten für bestimmte Verhütungsmittel übernehmen zu müssen. Diese Bestimmung würde der religiösen Einstellung der Unternehmerfamilie widersprechen. Gorsuch urteilte im Sinne des Arbeitgebers, da die Vorgaben des Affordable Care Act (Obamacare) von ihm verlangen würden, gegen seinen Glauben zu verstoßen. Seine Entscheidung bekam unter den Richtern des Berufungsgerichts eine Mehrheit von 5 zu 3 Stimmen und wurde im Supreme Court mit 5 zu 4 Stimmen bestätigt.

Planned Parenthood Association of Utah v. Herbert, 2015

Im Jahr 2015 wollte Gary R. Herbert, republikanischer Gouverneur des Bundesstaates Utah, der Organisation Planned Parenthood jegliche Fördergelder streichen. Grund dafür waren – wie sich später herausstellte – bearbeitete Videos, die Mitarbeiter der Organisation mit dem Verkauf von fötalem Gewebe in Verbindung brachten. Ein Bezirksgericht gab Herbert recht, die Fördergelder zu entziehen. Die Richter des Berufungsgerichts in Colorado urteilten allerdings gegen Herbert, der die Niederlage akzeptierte. Wochen später forderte ein nicht namentlich genannter Richter eine erneute Anhörung in dem Fall. Gorsuch hatte die Entscheidung des Berufungsgerichts bereits zuvor kritisiert, da der Schritt des Gouverneurs eine "direkte Reaktion" auf die Videos gewesen sei und Herbert das Recht auf Streichung der Fördergelder gehabt hätte.

Druley v. Patton, 2015

Eine Transfrau sah sich im Gefängnis von Oklahoma in ihren Grundrechten verletzt, weil ihr eine Hormontherapie verweigert und sie in einem Gefängnis mit Männern untergebracht wurde. Gorsuch urteilte, dass die Verweigerung einer Behandlung der Klägerin keinen "irreparablen Schaden" zufügen würde.

Gutierrez-Brizuela v. Lynch, 2016

Im Fall des Einwanderers Hugo Rosario Gutierrez-Brizuela ging es um die Frage, wann er sich um einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel bemühen dürfe. Gorsuch verwies auf ein Urteil aus dem Jahr 2005, das eine zehnjährige Wartezeit vorsah, anstatt eine flexible Interpretation im Rahmen der sogenannten Chevron Deference zuzulassen. Durch diese Supreme-Court-Entscheidung aus dem Jahr 1984 (Chevron USA. v. Natural Resources Defense Council) wurde im US-Verwaltungsrecht verankert, dass Verwaltungsbehörden einen abschließenden Beurteilungsspielraum haben, wenn die entsprechende Gesetzesbestimmung ungenau oder nicht eindeutig und die Interpretation der Behörde angemessen ist. Die Entscheidung würde es "exekutiven Bürokratien erlauben, juristische und legislative Macht zu schlucken", so Gorsuch. Der verstorbene Richter Antonin Scalia, dem Gorsuch am Supreme Court nachfolgen soll, war hingegen ein Verteidiger der Chevron Deference.

U.S. v Carloss, 2016

Im Jahr 2016 betraten Polizisten trotz mehrerer "Betreten verboten"-Schilder ein Grundstück, um einen Verdächtigen zu befragen, der der Verletzung des Schusswaffengesetzes beschuldigt wurde. Gorsuch sprach sich gegen das Vorgehen der Behörden aus und argumentierte unter Berufung auf den vierten Zusatzartikel der US-Verfassung, der vor staatlichen Übergriffen schützen soll, dass die Behörden einen Durchsuchungsbefehl hätten beantragen sollen.

A.M. v. Holmes, 2016

Im Fall eines 13-Jährigen, der sich an seiner Schule in Albuquerque weigerte, mit dem Rülpsen während des Unterrichts aufzuhören, kritisierte Gorsuch die Entscheidung, die Polizei zu rufen und den Jungen festzunehmen. "Das ging einen Schritt zu weit", schrieb Gorsuch. Das Berufungsgericht entschied jedoch im Sinne der Schule bzw. der Behörden: Das Vorgehen sei aufgrund der Unterrichtsstörung des Schülers ("Eingriff in den Ausbildungsprozess") gerechtfertigt gewesen. (maa, 29.3.2017)