Wien – "Zuerst etwas Modernes, dann etwas Schönes": So konnte der Aufbau beider Programmhälften des Recitals von Nikolaj Znaider und Piotr Anderszewski auf den ersten Blick wirken. Vorbehalte gegenüber dem 20. Jahrhundert halten sich bei Teilen des Wiener Publikums noch immer hartnäckig, wie man allein am Gesichtsausdruck und am Geräuschpegel zu Beginn der Stücke ablesen konnte.

Jedoch: Musik ist universell. So lautete die verborgene Botschaft des Abends. Beide Virtuosen, die weit mehr sind, als dieses Wort meint, verfügen über schier grenzenlose Möglichkeiten der Differenzierung. Znaider vertritt grundsätzlich die Haltung des gefühlsdurchflossenen Interpreten mit großem Ton, verfügt jedoch über die Fähigkeit, zugleich mit Klangfarbe und Ausdruck in die Extreme zu gehen, ohne so an Brüchigkeit anzustreifen. Ebenso verbindet Anderszewski mit seinem tektonisch flexiblen Klavierklang interpretatorischen Tiefsinn mit intensiver Direktheit.

So war der emotionale Input in den vier so unterschiedlichen Werken anhaltend hoch und stellte ungeahnte Beziehungen heraus. Fast schien es, als ob die wilden Eruptionen von Leos Janáceks Violinsonate in Robert Schumanns d-Moll-Sonate op. 121 einen Nachhall finden würden. Noch deutlicher wurde die Verbindung der beiden Programmpunkte, als Anton Weberns Vier Stücke op. 7 in Beethovens Frühlingssonate übergingen.

Es war zunächst nicht einfach, die Hörer zur Konzentration auf Webern anzuhalten, vor allem auch, da Znaider und Anderszewski das extrem Leise konsequent umsetzten, um aus den Miniaturen dieser vier Stücke das Letzte herauszuholen: energievoll zusammengeballte Gesten, hochexpressive Kantilenen, intensivste Klangfarben an der Grenze zum Geräusch und zum Verstummen, die buchstäblich zum Zuhören zwangen. Es war absolut schlüssig, aus dem Zauber des Verklingens heraus, mit dem das vierte Stück schloss, nahtlos zu Beethoven zu wechseln, als wäre es tatsächlich dasselbe Holz, aus dem beide Werke gemacht sind.

Wie schon den ganzen Abend fanden beide zu einem unwiderstehlich spontan wirkenden Dialog, zu einem Beziehungsgeflecht voller Spannung und Flüssigkeit. Launig bedankten sich die Musiker mit Bach, Gluck (in einer Bearbeitung von Fritz Kreisler) und Kreislers Liebesleid – immerhin hat die Guarneri, die Znaider spielt, einst dem Geiger und Komponisten gehört, wie er bescheiden betonte. (Daniel Ender, 27.3.2017)