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2006 sah der alte Aachener Tivoli eine legendäre Partie: Die Alemannia warf im Achtelfinale des DFB-Pokals die Bayern mit 4:2 aus dem Bewerb.

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Aachen – Alemannia Aachen hat am Dienstag einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Aachen gestellt. Diese Vorgehensweise war aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit notwendig, teilte der Traditionsklub mit. Es ist nach 2013 bereits die zweite Pleite des ehemaligen Bundesligisten. Verhandlungen mit Investoren und auch ein angedachter Verkauf des Stadionnamens haben sich zerschlagen.

Die Deckungslücke soll mehrere hunderttausend Euro betragen haben, der Absprung des Hauptsponsors während der laufenden Saison trug seinen Teil bei. Wegen des Insolvenzantrags werden Aachen, mittlerweile bis in die Regionalliga abgesackt, vom DFB voraussichtlich neun Punkte abgezogen. In der vierten Leistungsklasse belegt die Alemannia zurzeit den vierten Platz. Erst am Sonntag hat man bei Tabellenführer Viktoria Köln 2:1 gewonnen. Durch die Sanktionierung würde der Klub auf Rang elf abrutschen.

Aufsichtsrat tritt ab

"Trotz intensivster Bemühungen waren unter anderem die Verhandlungen mit einer Investorengruppe bis in die vergangene Woche ohne Erfolg geblieben", schrieb die Alemannia. Gleichzeitig erklärte der Aufsichtsrat der ausgegliederten Alemannia Aachen GmbH gemeinschaftlich seinen Rücktritt.

"Der Insolvenzantrag ist ein für alle sehr schwerer Schritt, stellt aber in der schwierigen Gesamtsituation die einzige Handlungsalternative dar. Wir werden auch nach dem Rücktritt die dann neuen Verantwortlichen nach besten Kräften unterstützen, um diesem einzigartigen Klub doch noch eine wirtschaftliche Perspektive zu ermöglichen", sagte der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Christian Steinborn.

Der Klub erwartet, dass das Gericht die ersten Weichen zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs stellen und einen vorläufigen Insolvenzverwalter ernennen wird, teilte die Alemannia mit.

Neues Stadion als Mühlstein

Der Verein kämpft seit Jahren mit finanziellen Schwierigkeiten. 2006 war die Alemannia in die Bundesliga auf- und ein Jahr darauf wieder abgestiegen. Trotzdem wurde der 46 Millionen Euro teure Neubau des Stadions vorangetrieben und 2009 abgeschlossen. Das 32.000 Zuschauer fassende Tivoli hängt seitdem wie ein Klotz am Hals der Alemannia. Es war zu groß und auch im laufenden Betrieb für den sportlich absackenden Klub viel zu teuer, der schließlich seine Schulden nicht mehr bedienen konnte. 2015 musste die Stadt Aachen einspringen und übernahm das Tivoli um den symbolischen Kaufpreis von einem Euro.

Zwei Abstiege hintereinander ließen die Alemannia bis 2013 bis in die Regionalliga hinunterrasseln. Doch auch hier misslang die Konsolidierung, obwohl beim Match gegen Rot-Weiss Essen mit 30.313 Zuschauern ein neuer Besucherrekord für Regionalligamatches aufgestellt wurde. Der Vorwurf, Aachen, bei dem seit 2010 elf Trainer ihr Glück versuchten, halte sich einen zu teuren Kader, wollten ebenfalls nicht verstummen.

Eine gefährliche Liga

Das traurige Los der Alemannia wirft auch ein Schlaglicht auf das deutsche Ligasystem. Seit der Saison 2012/13 bildet die fünfstaffelige Regionalliga die vierte Leistungsklasse unterhalb der als Profibetrieb aufgestellten 3. Liga. Kritiker monieren immer wieder die hohen Kosten für die Vereine, die in keinem Verhältnis zu den zu generierenden Einnahmen stünden. Fernsehgeld gibt es zum Beispiel keines. Ein weiteres Problem: Die Meisterschaft garantiert mitnichten den Aufstieg. Die fünf erstplatzierten Teams müssen sich vielmehr einem Playoff stellen, in dem drei Aufsteiger ermittelt werden. Bei insgesamt 90 Drittligisten bildet sich an dieser Stelle, dem Übergang in den Profifußball, ein Flaschenhals, der sich gewaschen hat.

Die Vereine leiden an mangelnder Planungssicherheit und müssen etwa bei ihrer Vertragsgestaltung zweigleisig fahren. Zu groß ist der Unterschied zwischen der dritten und vierten Leistungsstufe. Claus-Dieter Wollitz, Coach bei Energie Cottbus, rief daher zuletzt gar zum Streik gegen das seiner Meinung nach unfaire und unhaltbare System auf. Die Regionalligen sind mittlerweile Sammelbecken für viele große Namen geworden: Neben Aachen, Essen und Cottbus fristen etwa auch RW Oberhausen, Carl Zeiss Jena, die Kickers Offenbach, Waldhof Mannheim und der 1. FC Saarbrücken ihr Dasein in diesem riskanten Umfeld. (bausch, sid, 22.3.2017)