Der Jogi und sein Prinz. Nach 130 Länderspielen für Deutschland ist es für Lukas Podolski am Mittwochabend vorbei.

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Dortmund/Wien – Tränen werden fließen. Lukas Podolski verabschiedet sich am Mittwoch im Testspiel gegen England aus der deutschen Nationalmannschaft. "Es ist ein komisches Gefühl", berichtet er mit einem Schuss Wehmut, "nun kommen Momente, in denen man denkt: Das war's jetzt." Nach 13 Jahren, bisher 129 Länderspielen, sieben großen Turnieren, 48 Toren und dem WM-Titel 2014. "Da kann man doch stolz drauf sein", sagt er.

Der 31-jährige darf bei seinem Abschiedsspiel im Team die Kapitänsbinde tragen. "Sensationell, mehr geht nicht", sagte er bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Dortmund und bedankte sich artig bei Bundestrainer Joachim Löw. Dieser hatte Podolski nach dessen Rücktritt aus der Nationalmannschaft das Abschiedsspiel wegen dessen besonderer Verdienste in 13 Auswahl-Jahren zugesagt. "Es wird sicherlich ein schöner Moment für mich, aber auch ein trauriger Moment. Lukas und ich sind einen langen Weg zusammen gegangen, über viele Hürden hinweg", sagte Löw.

Die DFB-Karriere hat "Prinz Poldi" wie im Zeitraffer erlebt. "Die Zeit verfliegt. Das sieht man vor allem, wenn man selbst Kinder hat. Immer nur Koffer packen, Spiel, Abreise." Da bleibe wenig Muße zum Verarbeiten: "Das kommt erst, wenn man sich zur Ruhe setzt." Dem Klubfußball bleibt er vorerst erhalten. Nach Köln, Bayern München, wieder Köln, Arsenal, Inter Mailand und Galatasaray wird Podolski Anfang Juli nach Japan, zu Vissel Kobe, übersiedeln. Es soll der bestdotierte Vertrag seiner bisherigen Laufbahn sein.

Timo Werner vor Länderspieldebüt

Das Prestigeduell gegen England ist der Länderspielauftakt für die Weltmeisterauswahl in diesem Jahr. Durch die Ausfälle von Manuel Neuer, Mesut Özil, Julian Draxler und Mario Gomez rücken Neue nach. Möglicherweise kommt Leipzigs Timo Werner in der Offensive zu seinem Länderspieldebüt. "Ich verfolge ihn schon länger. Er ist ein ganz junger Spieler, der sich bei Leipzig gut entwickelt", sagte Löw und lobte speziell Werners Dynamik und Torabschluss. Auch Paris-Goalie Kevin Trapp wurde erstmals nominiert.

Neben dem Podolski-Abschied ist der Test gegen England für Löw auch eine willkommene Standortbestimmung vor der Fortsetzung in der WM-Qualifikation am Sonntag in Aserbaidschan. Im März 2016 ging ein Test in Berlin gegen die Three Lions mit 2:3 verloren. "England ist im Wandel. Sie spielen offensiver, mutiger, risikofreudiger", sagte Löw über den Rivalen.

Magic & Unmagic Moments

In der Tat will England zu neuen Ufern aufbrechen. Coach Gareth Southgate, der vor seinem ersten Spiel nach dem Aufstieg vom Interims- zum Chefcoach steht, hat ehrgeizige Ziele und setzt auf ungewöhnliche Motivationsmethoden. Sogar den bittersten Moment seiner Karriere führte Southgate den Kickern am Montag noch einmal auf Video vor. Zum fünfminütigen Clip mit guten und schlechten Momenten der englischen Fußballgeschichte gehörte auch sein Fehlschuss im Elfmeterschießen des EM-Halbfinals 1996 gegen Deutschland.

"Er wollte uns zeigen, wie weit er seitdem gekommen ist", erklärte Stürmer Jamie Vardy nach dem Treffen im Trainingszentrum im St. George's Park. James Ward-Prowse, der erstmals im A-Kader steht, war überzeugt, eben eine "sehr kraftvolle Botschaft" vernommen zu haben. Southgate will England zum "besten Team der Welt" machen, erklärte der 46-Jährige seinen Spielern. Das klingt nicht gerade bescheiden.

Seine Vorgänger waren zuletzt nicht gerade vom Glück verfolgt. Lautsprecher Sam Allardyce wurde nach nur einem Spiel entlassen, weil er gegenüber verdeckt ermittelnden Reportern erklärt hatte, wie man die Transferregeln des englischen Verbands umgeht. Der Fußball von dessen Vorgänger Roy Hodgson, der von 2012 bis 2016 im Amt war, wurde mitunter als langweilig kritisiert. Vor ihm leiteten der glücklose Steve McLaren und der Italiener Fabio Capello die Geschicke der Nationalmannschaft.

Defoe ja, Rooney nein

Jetzt kommt Southgate mit seiner ehrgeizigen Vision und ohne Angst vor heiklen Entscheidungen. Schon als Interimscoach war er im vergangenen Oktober für den mutigen Schritt gelobt worden, Kapitän Wayne Rooney in der WM-Qualifikation gegen Slowenien auf der Bank zu lassen. Für die anstehenden Länderspiele nominierte er den Rekordtorschützen der Nationalmannschaft gar nicht erst – aus Fitnessgründen, heißt es offiziell. In die Kapitänsrolle könnte in Absenz von Tottenham-Stürmer Harry Kane Innenverteidiger Gary Cahill schlüpfen.

Auch für Überraschungen ist Southgate gut. Er berief den 34-jährigen Sunderland-Stürmer Jermain Defoe nach dreijähriger Absenz wieder ins Aufgebot. Defoe zeigte sich beeindruckt und stellte klar, was er vom neuen England-Trainer hält: "Aus meiner Sicht ist er der perfekte Mann für den Job." (APA, sid, red, 21.3.2017)