Wäre Martin Schulz am SPD-Parteitag nicht mit 100, sondern mit 150 Prozent zum neuen SPD-Vorsitzenden gewählt worden – man hätte es zum Schluss durchaus schon für möglich gehalten. Auch eine baldige Überquerung des Berliner Wannsees zu Fuß erscheint zurzeit absolut vorstellbar.

Die Sozialdemokraten sind im Rausch, und der ist fast schon unheimlich. So grässlich war Sigmar Gabriel als SPD-Vorsitzender nun auch wieder nicht. Und so eine sensationelle Erscheinung ist Schulz nicht. Oder doch?

Kaum einer kann sich erklären, was diesen Schulz-Hype ausmacht. Ja, die Zeit in der großen Koalition neben und unter der deutschen Kanzlerin Angela Merkel war für die SPD nicht einfach. Die roten Arbeitsergebnisse wie Rente mit 63, Mietpreisbremse, Mindestlohn wurden nicht richtig gewürdigt, in Umfragen schlugen sie sich nicht nieder.

Und dann kommt Schulz, redet von "Gerechtigkeit", tut so, als habe er mit den Sozialreformen von Gerhard Schröder absolut nichts zu tun, hält nicht einmal eine großartige, sondern nur eine artige Antrittsrede – und die Delegierten flippen vollends aus.

Den Sozialdemokraten sei die Wellnessphase nach Jahren des Darbens gegönnt. Im Moment scheint alles möglich, auch die Kanzlerschaft. Aber dafür muss die Euphorie erhalten und bis zur Wahl im Herbst erst noch in konkrete Wählerzustimmung umgewandelt werden. (Birgit Baumann, 19.3.2017)