Wien – Auf dem Programm standen eine Menge Krisen, über denen die "Million-Dollar-Frage" schwebt, wie es Nathalie Tocci formulierte: "Wie geht die EU mit ihnen um?" Die Debatte am Mittwochabend im Wiener Bruno-Kreisky-Forum war der Auftakt der von der STANDARD-Journalistin Gudrun Harrer kuratierten Serie, die die externen Akteure dieser Krisen in den Mena-Staaten beleuchtet – jene Länder im Nahen Osten und in Nordafrika, die von Marokko bis zum Iran reichen.
Tocci ist ausgewiesene Expertin, wenn es um globale Strategien der Europäischen Union geht, und gleich zu Beginn hielt sie fest, was eine der Schwierigkeiten dieser Region ausmache: "Zu alten Problemen sind neue hinzugekommen." Die Italienerin ist Vizedirektorin des in Rom ansässigen Instituts für außenpolitische Beziehungen und außerdem Sonderberaterin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Als solche zeichnete Tocci für das Papier mitverantwortlich, das die neue Außen- und Sicherheitsstrategie der EU vorgibt. "Mehr Vision als Aktionsplan" sei dieses Dokument, dessen Kern ein prinzipiell pragmatischer sei, wie Tocci erneut festhielt: "Wir müssen mit jedem Akteur einer Krise sprechen. Außer mit jenen, bei denen wir aus den Verhandlungen nicht lebend herauskommen", sagte sie mit Blick auf Terrorgruppen wie den "Islamischen Staat" (IS). "Wir konzentrieren uns derzeit oft auf die globale Perspektive, auf globale Mächte wie die Türkei und Russland, die immer mehr Einfluss haben in der Region. Oder auch neue Mächte wie China, die zunehmend eine Rolle spielen", sagte Tocci. "Dabei müssen wir verstärkt regionale Mächte und auch lokale Kräfte miteinbeziehen." In Libyen etwa könne man die Bevölkerung nur über Vertreter erreichen, die nationale Ebene falle hier gänzlich weg.
Konflikte über Landesgrenzen hinweg
Gleichzeitig machten Konflikte schon lange keinen Halt mehr vor Landesgrenzen, weshalb Tocci auch dafür plädierte, etwa die Entwicklungen der Subsahara-Region und jener bis nach Zentralafrika miteinzubeziehen.
Regionale Kooperationen müssten neu gedacht werden. So komme etwa zu der arabisch-israelischen Trennlinie die iranisch-saudische hinzu. "Wir müssen neue internationale Formate schaffen und Brücken zwischen Ländern bilden, die Teil des Problems sind und daher auch Teil der Lösung sein müssen." Dass dies möglich sei, habe der Iran-Deal gezeigt, den Tocci neben der EU-Erweiterung als größten außenpolitischen Erfolg der EU bezeichnet.
Ein weiteres Beispiel sei der jüngste EU-Plan für den Wiederaufbau von Syrien. Dieser diene als Basis für die am 5. April in Brüssel geplante Syrien-Konferenz, an der eine ganze Reihe von Ländern teilnehmen soll. (giu, 16.3.2017)