Linz/Wien – Inspiriert durch Strukturen auf dem Rücken von Rindenwanzen der Spezies Dysodius lunatus haben Forscher der Universität Linz im Rahmen eines EU-Projekts eine Oberfläche entwickelt, auf der sich Flüssigkeiten nur in eine bestimmte Richtung ausbreiten. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschafter nun im Fachjournal "Royal Society Open Science" vorgestellt.

Unter die elektronenmikroskopische Lupe genommen

Rindenwanzen, von denen es tausende Arten gibt, haben in der Regel einen alles andere als glatten Panzer: Durch zahlreiche Höcker und Ausformungen bietet er mit seinem unregelmäßig erscheinenden Aussehen auf Rinde eine gute Tarnung. Reicht diese nicht aus, können die Wanzen bei Gefahr eine stinkende, ölige Flüssigkeit absondern.

Die Drüse, die das Sekret erzeugt, befindet sich im hinteren Teil des Rückens unter den Flügeln des Insekts. Abgegeben wird es jedoch über winzige, fächerförmige Organe weiter vorne, am Ansatz der Flügel. Wie es dort hingelangt, war bisher unklar.

Bei genauerer Betrachtung unter dem Elektronenmikroskop fand die Forschergruppe um Werner Baumgartner vom Institut für Medizin- und Biomechatronik und Johannes Heitz vom Institut für Angewandte Physik der Universität Linz auf dem Rücken der Wanzen unter den Flügeln Strukturen, die für den Transport der Flüssigkeit verantwortlich sein könnten. Die winzigen, tröpfchenförmigen Erhebungen sind weniger als einen hundertstel Millimeter groß und weisen alle in die gleiche Richtung – entlang des Weges, den die Flüssigkeit zurücklegen muss.

Nachbau im Labor

Um die Vermutung zu bestätigen, dass es sich dabei um eine Art Transportmechanismus handelt, haben die Forscher die Struktur im Labor nachgebaut. Dazu benutzten sie einen 3D-Laserdrucker, mit dessen Hilfe ein flüssiges Polymer gezielt Punkt für Punkt ausgehärtet werden kann. "Das funktioniert ähnlich wie bei Zahnfüllungen", sagt Heitz. "Nur dass wir anstelle einer UV-Lampe einen fokussierten Laserstrahl benutzen. So können wir nahezu jede beliebige Form mit hoher Präzision herstellen."

Als Unterlage für die Tröpfchenstruktur benutzten die Forscher ein herkömmliches Glasplättchen. Setzt man nun einen Tropfen einer öligen Flüssigkeit auf der Oberfläche ab, so passiert zunächst einmal nichts Außergewöhnliches. Der Prozess kommt erst in Gang, wenn ein zweites Glasplättchen als Deckel auf die der Natur abgeschaute Struktur gelegt wird und den Öltropfen einsperrt: Die Flüssigkeit breitet sich nun bevorzugt in eine Richtung aus. Das entspricht in etwa den Vorgängen auf der Wanze, wo das Sekret ebenfalls zwischen dem strukturierten Rücken und den Flügeln eingesperrt ist.

Auch wenn es sich bei der Studie um reine Grundlagenforschung handelt, könnte die neue Oberflächenstruktur den Forschern zufolge in Zukunft durchaus Anwendung in der Technik finden – etwa für die gezielte Verteilung von Schmiermitteln in mechanischen Bauteilen. Da der Effekt stark von den physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit abhängt, wäre es auch denkbar, derartige Oberflächen für die Trennung eines Gemisches – zum Beispiel Öl und Wasser – einzusetzen. (APA, red, 15. 3. 2017)