Das böse K-Wort ist auf dem Balkan wieder in aller Munde. "Wenn sie Krieg wollen, dann bitte, aber dann werden sie besiegt werden", sagt einer der mazedonischen Demonstranten über die Albaner im Lande. Mazedonische Nationalisten behaupten seit Tagen, dass die Albaner-Parteien ein "Großalbanien" schaffen wollen würden. Geschürt wurde das auch vom russischen Außenministerium. In einer Aussendung Anfang März, warnte Moskau vor einer "Revision der Machtstrukturen" Mazedoniens und dem Unterlaufen der verfassungsmässigen Symbole. Erwähnt wurde auch der Präsident des Nachbarstaates Kosovo, Hashim Thaçi, der sich in kontraproduktiver Weise eingemischt hatte und die Albaner in Mazedonien dazu aufgerufen hatte, "ihre Rechte in die eigenen Hände" zu nehmen. Für das russische Außenministerium ist seine Aussage, "im Einklang mit dem Großalbanien-Projekt, das gewaltige Teile von einigen Balkan-Staaten einfordert, Mazedonien eingeschlossen".

Fragt man Albaner-Politiker in Mazedonien, so sieht die Sache ganz anders aus. Weder der Vize-Chef der albanischen Partei Besa, Zeqirija Ibrahimi, der auf der Terrasse eines Kaffees unterhalb der Burganlage in Skopje sitzt, noch der Chef der albanischen Partei DUI, Ali Ahmeti, der zu Krisensitzungen aus Tetovo ins Parlament nach Skopje angereist ist, haben irgendein Interesse an Großalbanien, Grenzveränderungen oder ein "Unterlaufen verfassungsmässiger Symbole". Sie wollen ganz einfach nur einen friedlichen Machtwechsel. Denn die Sozialdemokraten bieten ihnen einfach mehr an als die bisherige Regierungspartei VMRO.

Albanische Angst

Ibrahimi meint glasklar: "Großalbanien hat von niemanden Unterstützung." Er macht sich eher wegen der zunehmenden Einmischung Russlands in die mazedonische Innenpolitik Sorgen. "Die Macht, die Präsident Gjorge Ivanov hat, hat er von Moskau bekommen", spielt er auf die Weigerung des Staatschef an, dem Chef der SDSM Zoran Zaev das Mandat zur Regierungsbildung zu geben, obwohl dieser eine Mehrheit im Parlament gefunden hat.

"Es ist das erste Mal, dass Russland so viel Einfluss nimmt", meint Ibrahimi. "Russland benutzt die Krise in Mazedonien, um der EU ein Problem zu bereiten." Ein größerer Einfluss Russlands erzeuge aber bei den Albanern Angst. "Denn Russland unterstützt Serbien und hier erinnert man sich noch an den Krieg im Kosovo." Ibrahimi glaubt, dass eine Lösung der Krise "nicht von lokalen Politikern" abhänge. Es gehe um geopolitische Zusammenhänge. "Die VMRO spielt damit, dass sie weiß, dass die Trump-Administration weniger interessiert ist, hier zu gestalten", meint der Mann, der erst kürzlich in die Politik eingestiegen ist. "Die provozieren eine Destabilisierung." Besa fordert mehr Einsatz von Deutschland, die EU sei ohne Großbritannien schwach. "Und ein schwaches Europa bedeutet ein starkes Russland."

"Es genügt ein Funke"

Den offiziellen Grund für Ivanovs Weigerung – dass die Albaner-Parteien sich im Nachbarland Albanien getroffen hatten und dort eine Erklärung für ihre gemeinsamen Forderungen unterschrieben hatten – hält Ibrahimi für ein "Alibi". "Der albanische Premier Edi Rama hat inhaltlich diese Erklärung gar nicht mitgestaltet. Wir sind nur nach Tirana gefahren, Rama uns helfen wollte, damit sich die mazedonischen Albaner-Parteien treffen können." Besa wollte sich in Skopje nicht mit der DUI treffen. Die größte Angst der Albaner sei nun aber angesichts der Eskalation, dass "ein Streit zwischen mazedonischen Parteien zu einem interethnischen Konflikt führt", so Ibramihi. "Die Albaner hier sind still, aber es genügt ein Funke und dann wird es Spannungen geben."

Auch der Chef der größten Albaner-Partei, Ali Ahmeti, der müde wirkt, meint, dass die "Überlegungen" des "sogenannten Präsidenten Ivanov unvernünftig sind". Es gäbe gar keine "Tirana-Plattform", es handle sich lediglich um eine "Stellungnahme", die in Skopje vorgeschlagen, ausgearbeitet und geschrieben worden sei. "Rama hat uns im guten Willen zu helfen, eingeladen, weil die Partei Besa das hier nicht unterschreiben wollte." Zu den Anschuldigungen der VMRO und Russlands, man wolle hier Großalbanien schaffen, kann er nur schmunzeln.

"Hätte das machen können"

"Wenn wir wirklich Großalbanien schaffen hätten wollen, dann wäre ich im Jahr 2001 darauf eingegangen, als mir eine Teilung des mazedonischen Staates von der mazedonischen Gemeinschaft angeboten worden war. Ich hätte das machen können, denn ich hatte 10.000 Soldaten unter meiner Kontrolle", erinnert er sich an den damaligen Konflikt. "Aber ich sah die Zukunft der Westbalkanstaaten nicht in der Teilung, sondern in der Gewährung von Gleichheit für alle Bürger. Deshalb haben wir das Ohrid-Abkommen abgeschlossen, das von der Nato, den USA und der EU garantiert wird", so Ahmeti.

Nun gäbe es aber konzeptionelle Unterschiede mit Russland. "Russland ist nicht damit zufrieden, dass wir so entschieden dafür sind, in die EU integriert zu werden", erklärt der 58-jährige Politiker die derzeitige Situation. Ahmeti denkt aber nicht, dass sich die Dinge "schon so weit entwickelt haben, dass die Machthaber hier auf die hören, die überhaupt nichts mit der Bestimmung des Landes zu tun haben", spielt er auf Ivanov und Russland an. Ahmetis Partei DUI will Teil der von den Sozialdemokraten geführten Regierung sein. Es wird darüber spekuliert, dass Ahmeti bald abgelöst werden könnte. (Adelheid Wölfl aus Skopje, 12.3.2017)