Egal ob die Reaktionen auf die Schimpftiraden des türkischen Präsidenten so erzwungen zurückhaltend ausfallen wie in Deutschland oder so angeberisch markig wie in Österreich – sie werden an dessen Verhalten nichts ändern, ehe die von ihm gewünschte Abstimmung in der Türkei über die Bühne ist, und danach wahrscheinlich ebenso wenig. Der Widerspruch zwischen seinen sinistren Plänen für das eigene Land und den Vorwürfen mangelnder Demokratie oder gar des Nationalsozialismus an andere Länder ist so groß, dass er seiner Glaubwürdigkeit damit keinen Gefallen tut. Was ihn aber nicht zu kümmern braucht, da es in Anatolien auch keinen kümmert und Glaubwürdigkeit als politische Tugend derzeit in der Welt ohnehin nicht sehr in Mode ist.

Erkenntnisgewinn aus der verfahrenen Situation bestünde darin, den Spiegel richtig zu benutzen, der uns mit diesem Radau vorgehalten wird. Da müsste man sich fragen, welche Fehler Österreich hinsichtlich Menschen mit ausländischen Wurzeln viele Jahre lang begangen hat, dass ein sich aufwärmender Autokrat auf die Idee kommen kann, in dieser Gruppe gäbe es für ihn grenzüberschreitend etwas zu holen. Wenn türkischer Nationalstolz hierzulande noch immer für einen Mann lodern kann, der heutzutage zum Beispiel aus türkischen Schulen und damit aus den Gehirnen seiner Landsleute Darwins naturwissenschaftliche Erkenntnisse fernhalten will, dann weist das auf Versäumnisse hin, die österreichischer Ausländerpolitik anzurechnen sind.

Wenn Menschen mit Migrationshintergrund auch nach vielen Jahren in Österreich autoritären Politikern in ihrem Herkunftsland fahnenschwingend zujubeln, dann zeigt es, dass man die Vermittlung demokratischer Werte, auf die man sich so inbrünstig beruft, mit der Überreichung eines österreichischen Passes für ausreichend erledigt gehalten hat. Um auf einmal erstaunt festzustellen, dass viele davon widerrechtlich ihren alten behalten haben. Überraschung! Auch Anregungen, sich an praktisch angewandter Politik als Wählerinnen und Wähler zu beteiligen, wurden nicht eben überschießend gegeben.

Und nun will man alles nach der Sobotka-Kurz-Methode mit der SPÖ im Schlepptau und der FPÖ im Hinterkopf verbotsmäßig regeln. Der Innenminister hat nichts Besseres zu tun als an Formulierungen zu tüfteln, wie man Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht maßgeschneidert auf einen Türken einschränken könnte, um seine Einreise zu verhindern. Als Spontanreaktion überstürzt, als Pawlow'scher Reflex auf die Zweite Türkenbelagerung etwas spät. Man muss ja keine Sehnsucht nach Erdoğan haben, und das sollte man ihm auch in aller Deutlichkeit vermitteln. Vor allem aber so, dass auch jenen, die er hier als Wähler gewinnen will, offenbar wird, wie wenig es zusammenpasst, in Österreich demokratische Grundrechte für seine Person einzufordern, die zu Hause abzuwürgen er vor ihnen als Segen bewerben will.

Erdoğan ist es nicht wert, seinetwegen an europäischen Grundwerten herumzupfuschen. Von ihm richtig zu lernen hieße eher klarzumachen, dass es dabei um mehr geht, als in die Niederungen eines österreichischen Wahlkampfes herabzusteigen. (Günter Traxler, 10.3.2017)