Es hat gedauert, aber die Kritik der Nachbarn an den Alleingängen Österreichs wird laut. In Ungarn und Slowenien regt sich Widerstand gegen den Plan der Regierung in Wien, den Neuzugang ausländischer Arbeitnehmer einzudämmen. Aus der Slowakei und Tschechien kommt Kritik wegen der Kürzung der Familienbeihilfe.

Aber ist die Aufregung berechtigt oder überzogen? Auf Ebene der einzelnen Vorhaben spricht vieles für den österreichischen Weg. Beispiel Beschäftigungsbonus: 475.000 Arbeitslose gibt es im Land. Zu leugnen, dass es in Ostösterreich, in Wien und dem Burgenland, einen Verdrängungswettbewerb gibt, wäre naiv. In Supermärkten, Tankstellenshops, Restaurants und am Bau arbeiten oft mehr Ungarn, Slowaken und Polen als "Einheimische".

In dieser Situation mit einem Bonus jene Menschen zu fördern, die schon im Land leben und keinen Job finden, ist ein sinnvoller Ansatz. Juristische Fragen werden Gerichte klären. Politisch erscheint die Maßnahme aber nicht unverhältnismäßig. Der Bonus gilt nur auf Zeit. Von ihm profitieren können auch bereits zugezogene EU-Bürger. In Ungarn und Tschechien gibt es wegen der Auswanderer selbst Arbeitskräftemängel. Ungarn wirbt in der Ukraine schon um Gastarbeiter. Kurzum: Wenn die Kritik einmal raus ist, dürften mit dem Bonus alle leben können.

Auch für die Kürzung der Familienbeihilfe gibt es vernünftige Argumente. Die Zahlungen werden an das Preisniveau im jeweiligen Land angepasst. In Kaufkraft gerechnet sollen künftig alle annähernd das Gleiche bekommen. Dagegen lässt sich nur schwer argumentieren.

Anders fällt die Beurteilung aus, wenn man das Gesamtbild betrachtet. Im politischen Diskurs scheint das Maß verlorengegangen zu sein. Die rot-schwarze Regierung spricht fast nur noch davon, wie viel die EU-Migranten und ihre Familien Österreich kosten, wie sehr der heimische Arbeitsmarkt unter dem Zuzug leidet. Kein Wort darüber, dass Zuwanderer den Niedriglohnsektor bevölkern und oft Jobs erledigen, die Einheimische nicht erledigen würden – Stichwort Pflege.

Hinzu kommt, dass die Regierung in Wien den Anschein erweckt, als wäre Österreich ein Verlierer der EU-Ostöffnung. Das Gegenteil ist wahr. Heimische Unternehmen verkaufen massenhaft Waren und Dienstleistungen in Osteuropa. Österreichs Banken sind in Tschechien, Kroatien und Co zu großen Playern aufgestiegen. Ein Viertel der Einnahmen heimischer Unternehmen aus dem Ausland kommt aus Osteuropa. Davon profitieren nicht nur Konzerne, sondern hunderttausende Beschäftigte in Österreich.

Doch davon ist in der Öffentlichkeit kaum die Rede, was fatal ist. Denn die Gefahr wächst, dass die Osteuropäer aktiv werden und sich fragen, wie sie sich wehren können. Kanzler Christian Kern drängt auf weitere Maßnahmen, um den Arbeitsmarkt abzuschotten. Österreich kann nicht auf offene Türen für seine Unternehmen im Osten hoffen, wenn es seine für Arbeitnehmer zuschlägt. (András Szigetvari, 8.3.2017)