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Im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso wird Soja geerntet. Bis zu 90 Prozent der globalen Sojaerträge landen in Tiermägen.

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Die USA, Brasilien und Argentinien sind die drei größten Produzenten und Exporteure der eiweißreichen Hülsenfrucht.

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Wien – Die Wildnis ist verschwunden. Wo einst Urwald wucherte, dominieren nun landwirtschaftliche Monokulturen. Mato Grosso do Sul bedeutet übersetzt so viel wie "große Wildnis des Südens", doch in dem Bundesstaat im Landesinneren Brasiliens, der etwa so groß wie Deutschland ist, wurden die Baumregionen in wenigen Jahrzehnten abgeholzt – um vor allem Platz für den Anbau von Sojapflanzen zu schaffen. Auch in dem größeren Bundesstaat Mato Grosso und im Amazonas schreitet die Abholzung voran. Denn mit der weltweit steigenden Nachfrage nach Fleisch steigt auch der Bedarf nach Soja als Futtermittel.

Etwa 85 bis 90 Prozent der globalen Sojaerträge landen in Tiermägen, schätzen Experten, der Rest wird direkt für die menschliche Ernährung genutzt. Filmemacher Marco Keller hat das erste Mal vor 17 Jahren in Mato Grosso do Sul das indigene Volk der Guaraní-Kaiowá kennengelernt. In seinem Film "Agrokalypse" schildert er Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung beim Sojaanbau vor Ort.

Wegen der steigenden weltweiten Nachfrage nach Soja kommt es immer häufiger zu Konflikten um Land mit den Indigenen. "Die Situation ist vielerorts katastrophal. Man sieht viel Elend und verzweifelte, kulturell entwurzelte Menschen", sagt Keller im Gespräch mit dem STANDARD. Viele Gemeinschaften der Guaraní-Kaiowá würden zusammengepfercht in staatlichen Reservaten leben. Einige Menschen versuchen durch Landbesetzungen ihre ursprünglichen Gebiete wieder einzufordern.

"Man muss sich nur verdeutlichen, dass wir für ein Kilo Fleisch zwölf bis 15 Kilo pflanzliche Ressourcen verfüttern", so Keller.

Die Beliebtheit der weitgehend geschmacksneutralen Bohne stieg außerhalb Asiens erst in den vergangenen Jahrzehnten. Mitte der 60er-Jahre wurden weltweit noch rund 30 Millionen Tonnen Soja produziert, 2014 waren es bereits 300 Millionen Tonnen. Rund 90 Prozent davon produzieren die USA, Brasilien und Argentinien.

Ersatz für Schlachtabfälle

Der Grund liegt in der Fütterungseffizienz. Nach der BSE-Krise suchten Industrieländer einen Ersatz zu den zuvor verfütterten Schlachtabfällen. "Sojabohnen weisen von allen Futtermitteln den höchsten Proteingehalt auf. Dadurch erbringen Schweine, Hühner oder Rinder rasche Fleischzuwächse bei vergleichsweise wenig Fettbildung", erklärt Johann Vollmann von der Abteilung Pflanzenzüchtung der Universität für Bodenkultur in Wien.

"Mit resistentem Gensoja hatte man ein neues Agrarinstrument, um den weltweiten Hunger der Tierfutterindustrie zu stillen", so Filmemacher Keller. Da Gensoja und Genmais über Patente gesichert sind, hätten die großen Agrarkonzerne über den Vertrieb der neuen Produkte zugleich eine neue, "schier unversiegbare Einnahmequelle", so der Regisseur.

Die Fleischindustrie verbraucht zwar einen Großteil des Sojas, doch auch im direkten Konsum nimmt die Hülsenfrucht für viele Menschen eine immer prominentere Rolle rein. Von Vorteil sei der Proteingehalt von 40 Prozent im Korn, sagt Vollmann und liefert Vergleiche: In der Erbse sind 25 Prozent Protein, im Weizen, Mais oder Reis nur zwölf Prozent enthalten. Die Proteinqualität ist dabei hoch. Das liegt am hohen Anteil der ernährungsphysiologisch wichtigen Aminosäure Lysin. Als "Abfallprodukt" der Sojaschrotgewinnung falle zudem noch ein Speiseöl mit hohen Mengen an Lezithin ab. Sensible Personen wie etwa Erdnussallergiker können jedoch auf Sojabohnen allergisch reagieren, weist Vollmann hin.

Österreich importiert jährlich zwischen 400.000 und 550.000 Tonnen Sojaschrot, der fast ausschließlich für Futterzwecke für Nutztiere verwendet wird. Bei in Österreich angebautem Soja sieht die Rechnung anders aus: In den vergangenen Jahren wurden etwa auf 45.000 bis 53.000 Hektar Sojabohnen angebaut, dabei 100.000 Tonnen bis 140.000 Tonnen geerntet, so Vollmann. Rund die Hälfte davon werde zu Nahrungsmitteln verarbeitet. "Das ist ungewöhnlich viel, liegt aber daran, das in Österreich Betriebe erfolgreich heimisches Soja verarbeiten", sagt der Wissenschafter. Die österreichische Ernte ist gentechnikfrei, teilweise biologisch produziert und wird vor allem in Sojadrinks, -mehlen als Lebensmittelzusatz und Tofu in Europa verkauft.

Mit der sogenannten Donau-Soja-Erklärung unterstützen derzeit 15 Staaten eine europäische, nachhaltige und eigenständige Eiweißversorgung. "Das Donau Soja oder Europe Soya Label garantiere, dass das Nahrungsmittel gentechnikfrei ist", sagt Ursula Bittner vom Verein Donau Soja.

Die Sojapflanze ist zwar nicht heimisch, aber der Donauraum eignet sich aufgrund seines warmen, sonnigen und feuchten Klimas gut für den Anbau. Je nach Region werden frühreife oder spätere Sorten gesät. Durch eine Symbiose mit stickstofffixierenden Bakterien tragen sie zur Fruchtbarkeit des Bodens bei und verbessern dadurch die Fruchtfolge.

Hobbygärtner Teil der Studie

Auch in Deutschland wird am Sojaanbau gefeilt. Forscher der Universität Hohenheim in Stuttgart, wo seit drei Jahrzehnten im Bereich Soja geforscht wird, wollen die optimale Sojabohne für das Klima Mitteleuropas züchten. Hilfe bekommen sie von 2.400 Hobbygärtnern und Landwirten. 1.700 Samen wurden auf Böden ausgetragen. Die Erfahrungen können die Teilnehmer auf einer Onlineplattform der Universität eintragen. Die Bohne soll für den menschlichen Verzehr und nicht für Tierfutter verwendet werden. (Julia Schilly, 9.3.2017)