Protest? Auch irgendwie. Die vielen Seelen in der Brust der Ina Loitzl. Ab 16. März stellt sie mit anderen Künstlerinnen unter dem Titel "Blutrot. Schmerz und Kraft" im Künstlerhaus Klagenfurt aus.

Foto: Ina Loitzl

Das ist ein Ausbruch von Energie und wahrer Demokratie, wie ich ihn in meinem sehr langen Leben nicht gesehen habe", sagte die 82-jährige Feministin Gloria Steinem bei ihrer Rede beim Women's March on Washington. Millionen Menschen waren in zahllosen Städten in den USA und auf allen anderen Kontinenten gegen US-Präsident Trump und seine Politik auf die Straße gegangen. Dieser beispiellose Protest war wohl auch deshalb so ergreifend und ermutigend, weil er nicht nur von den bekannten Frauenrechtsorganisationen getragen wurde, sondern auch von unzähligen Frauen, die sich noch nie zuvor politisch engagiert hatten – und die sich nun sehr entschlossen zeigten, so schnell nicht wieder damit aufzuhören.

Dieses historische Momentum will der "A Day Without A Woman"-Streik am Internationalen Frauentag nutzen, zu dem prominente Feministinnen wie Nancy Fraser und Angela Davis aufgerufen haben. Sie fordern einen Feminismus der 99 Prozent und schließen damit an den erfolgreichen Slogan "We are the 99 percent" der Occupy-Wall-Street-Bewegung an. Denn es sei nicht genug, sich gegen Trumps Rassismus und Sexismus zu stellen, es müsse auch die neoliberale Politik adressiert werden, deren finanzmarkt- und unternehmensfreundliche Deregulierungen insbesondere viele schwarze Frauen und Arbeiterinnen hart und existenziell treffen.

Schmaler Grat

Diese Ausweitung der Agenda ist freilich ein schmaler Grat: Sie könnte Gemäßigtere abschrecken, die sich zwar gegen Trumps Frauenfeindlichkeit und seine Antiabtreibungspolitik stellen – die Frauen buchstäblich "an die Pussy will" -, die bei radikaleren linken Forderungen aber nicht mehr mitgehen. Gleichzeitig bietet diese Strategie aber die Chance, etwa auch die heimatlos gewordene Bernie-Sanders-Bewegung einzubinden, die wiederum mit reiner "Pussy-Politik" nicht notwendigerweise viel am Hut hat.

"Protest muss größenwahnsinnig sein", rät auch ein Solidaritätsaufruf aus Deutschland, der sich wie zahllose Organisationen in vielen anderen Ländern dem US-Streik angeschlossen hat, auch in Österreich gibt es entsprechende Aktionen. Wahrscheinlich dürfte ein wenig Dreistigkeit und Overstatement wirklich nicht die schlechteste Idee sein, um die Bewegung loszutrommeln. Tatsächlich lässt sich ja mit Fug und Recht sehr selbstbewusst behaupten, dass es nicht nur beim Women's March vor allem Frauen waren, die den Widerstand gegen die Trump-Administration bislang geprägt haben. Die US-Demokratin Elisabeth Warren, die gegen den rechten Justizminister Jeff Sessions opponierte, und die Generalstaatsanwältin Sally Yates, die sich gegen den als "Muslim Ban" kritisierten Präsidentenerlass stellte und dafür gefeuert wurde, sind bereits zu Widerstandsikonen geworden. Der schnell zum Slogan geronnene Satz "Nevertheless, she persisted", mit dem Warren in der Senatssitzung mundtot gemacht werden sollte, ist nicht nur zum viralen Twitter-Meme geworden, er steht inzwischen schon auf Shirts, Hunderte haben ihn sich gar eintätowieren lassen.

Zu solch einer Ikonisierung des Protests kann beitragen, dass es in jüngster Vergangenheit auch global einige sehr beeindruckende Erfolge der feministischen Bewegung zu feiern gab. So konnte der "Schwarze Montag", der ebenfalls als Streik firmierende Protest der Polinnen gegen das geplante Totalverbot von Abtreibungen Anfang Oktober 2016, die Gesetzesvorlage tatsächlich kippen.

Und man darf ruhig noch ein bisschen dicker auftragen: Auch großen Revolutionen wie der Französischen und der Russischen gingen Frauenaufstände voraus. Frauenstreiks können tatsächlich ein sehr wirksames Protestmittel sein. Um das zu zeigen, muss gar nicht Aristophanes' antike Komödie Lysistrata bemüht werden, in der ein weiblicher Sexstreik sogar Krieger in die Knie zwang. Ein eindrucksvoller Generalstreik von Frauen fand 1975 auch in Island statt, über 90 Prozent aller Isländerinnen legten damals das öffentliche Leben für einen Tag vollkommen lahm. Fünf Jahre später wurde in Island die erste Staatspräsidentin der Welt gewählt, heute liegt das Land hinsichtlich Gleichberechtigung unangefochten auf Platz eins des Global Gender Gap Report.

"Alle Räder stehen still ..." gilt bei Frauenstreiks in besonderem Maße, schließlich kann nicht nur Lohnarbeit, sondern auch die Arbeit zu Hause bestreikt werden. Denn weiterhin sind es zum überwältigenden Teil Frauen, die für die Haus-, Pflege- und Beziehungsarbeit zuständig sind und deshalb nicht nur für aristophanisch kalte Betten, sondern auch für kalte Küchen sorgen können.

Allerdings ist auch der Aufruf, die Arbeit am 8. März aus Protest ruhen zu lassen, durchaus ambivalent, gerade weil in der Regel nicht nur Lohnarbeit betroffen ist. Eine Alleinerziehende wird ihrem Kind schwerlich das Butterbrot verweigern wollen und handelt sich bestenfalls einen doppelt so hohen Wäsche- und Geschirr- berg für den nächsten Tag ein. Schlimmstenfalls riskiert sie sogar ihren Job, schließlich können sich viele Frauen in prekarisierten Beschäftigungsverhältnissen weder arbeitsrechtlich noch -organisatorisch einen Streik erlauben.

Think big!

Doch genau dadurch steht die Arbeitsrealität vieler Frauen exemplarisch für eine deregulierte Arbeitsmarktpolitik, durch die nicht nur in den USA die Arbeitsrechte von immer mehr Menschen bedroht sind. Und genau deshalb ist es wichtig, den Protest auszuweiten. Dann gelingt es womöglich nicht nur, den Backlash zu verhindern, sondern auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit sogar neuen Boden zu gewinnen. Think big! (Lea Susemichel, 7.3.2017)