Luxemburg – Die EU-Staaten müssen Flüchtlingen laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs kein Visum für einen Asylantrag ausstellen. Vielmehr sei es eine Entscheidung nach nationalem Recht, ob eine solche Einreiseerlaubnis erteilt werden könne, entschied der Gerichtshof am Dienstag. Ein entsprechendes EU-Gesetz gebe es nicht.

Die Luxemburger Richter widersprachen damit überraschend der Ansicht von Generalanwalt Paolo Mengozzi, der seine Schlussanträge vor einem Monat vorgelegt hatte. In vielen Fällen schließen sich die Richter der Einschätzung des Generalanwalts an. (Az: C-638/16)

Die EU-Staaten hatten nach dem Antrag Mengozzis weitreichende Konsequenzen für die gemeinsame Asylpolitik befürchtet. Denn wäre das Gericht der Einschätzung des Generalanwalts gefolgt, hätten Flüchtlinge bei einer Auslandsvertretung der 28 EU-Staaten einen Antrag auf ein humanitäres Visum stellen können, damit ihr Asylantrag anschließend in dem EU-Staat selbst geprüft wird.

Belgien lehnte Antrag ab

In dem vorliegenden Fall ging es um eine christlich-orthodoxe Familie aus der syrischen Stadt Aleppo mit drei kleinen Kindern, die im Oktober bei der belgischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut Visumanträge gestellt hatten, um in Belgien einen Asylantrag stellen zu können. Der Familienvater gab dazu an, er sei in Syrien bereits von einer bewaffneten Gruppe entführt und gefoltert worden, bis er gegen Lösegeld freikam. Wegen ihres Glaubens drohe der Familie weitere Verfolgung.

Belgien lehnte den Antrag unter anderem mit der Begründung ab, dass es nicht zur Aufnahme aller Personen verpflichtet sei, die katastrophale Situationen erlebt hätten. Es sei mit einer Flut von Anträgen zu rechnen, wenn Flüchtlingen gewöhnliche Touristenvisa gewährt würden.

Wie nun der EuGH entschied, ist es Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten, ob sie in solchen Fällen Visa erteilen. EU-Recht regle bisher nur Durchreise- und Touristenvisa für Aufenthalte bis zu 90 Tagen. Bei einer Einreise für einen Asylantrag gehe es jedoch um einen längeren Aufenthalt. Ohne EU-rechtliche Grundlage sei aber auch die Grundrechtecharta der EU nicht anwendbar. (APA, 7.3.2017)