Der Kugelsternhaufen Messier 4 zählt zu den erdnächsten und hellsten Sternclustern am Nachthimmel.

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Kann Licht müde werden? Nein – auch wenn es sich ständig mit der schnellstmöglichen Geschwindigkeit fortbewegt, müde wird es nicht. Die Theorie der "Lichtermüdung" war aber für eine gewisse Zeit lang eine vielversprechende kosmologische Hypothese.

Die Geschichte des müden Lichts beginnt, wie so vieles in der modernen Wissenschaft, mit Albert Einstein. Seine 1915 veröffentlichte Allgemeine Relativitätstheorie war nicht nur eine revolutionäre neue Beschreibung der Gravitation, sondern ließ sich auch dazu verwenden, die Entwicklung des gesamten Universums zu beschreiben.

Statisches Universum

Damals gingen die meisten Wissenschafter (Einstein inklusive) davon aus, dass unser Kosmos statisch ist. Er ist so, wie er ist, war schon immer so und wird immer so bleiben. Es gab keinen Anfang, und es wird kein Ende geben. Aber Einsteins eigene Gleichungen zeigten, dass das Universum sich eigentlich ausdehnen muss, es muss früher viel kleiner gewesen sein als heute und irgendwann in der fernen Vergangenheit einen Anfang gehabt haben.

Diese Idee, die auf den Physiker George Lemaître zurückgeht, wurde aber erst ernst genommen, als der Astronom Edwin Hubble gegen Ende der 1920er-Jahre die Expansion des Alls auch tatsächlich beobachten konnte. Er untersuchte ferne Galaxien und fand heraus, dass sie sich umso schneller von uns fortbewegen, je weiter sie entfernt sind: genau so, wie es in einem expandierenden Universum der Fall sein sollte. Der Nachweis der Expansion war allerdings indirekt. Hubble beobachtete im Licht der Galaxien eine "Rotverschiebung".

Die Wellenlängen des Lichts trafen nicht so wie erwartet im Teleskop ein, sondern waren ein wenig in Richtung des roten Wellenlängenbereichs verschoben. Diesen Effekt kennt man im Alltag von Schallwellen – dort ändert sich die Frequenz, wenn sich die Schallquelle bewegt, und damit auch zum Beispiel der Ton der Sirene eines vorbeifahrenden Einsatzfahrzeugs. Bei Lichtwellen passiert das Gleiche, nur dass sich hier nicht der Ton ändert, sondern die Farbe. Außerdem bewegt sich bei der Expansion des Alls die Galaxie nicht durch den Raum, sondern mit dem Raum.

Wechselwirkung zwischen Licht und Materie?

Nicht alle Wissenschafter waren damals mit dieser Interpretation einverstanden. Der immer streitlustige Astronom Fritz Zwicky hatte 1929 eine andere Idee: Was, wenn das Licht einfach an Energie verliert, während es sich durch das All bewegt? Zum Beispiel durch eine Wechselwirkung mit der Materie, an der es unterwegs vorbeifliegt? Je weniger Energie es hätte, desto röter würde es erscheinen, und es wäre umso mehr ins Rot verschoben, von je weiter weg es kommt. Viele Kollegen, etwa der Physiknobelpreisträger Robert Andrews Millikan, hielten das für eine sehr elegante Idee. Vor allem war es eine Idee, mit der man das statische Universum nicht aufgeben musste.

Zwicky warf seine Hypothese nicht einfach so in den Raum. Es gab einige Kriterien, anhand derer sie überprüft werden konnte. Wenn Licht umso stärker von anderer Materie beeinflusst wird, je länger es unterwegs ist, dann müssten die Bilder, die wir von fernen Galaxien sehen, immer unschärfer werden. Auch die Flächenhelligkeit der Galaxien dürfte sich nicht ändern. Deren Helligkeit fällt zwar mit dem Quadrat der Entfernung ab, das gilt aber auch für die scheinbare Größe der Galaxien.

Insgesamt sollte die Menge an Licht pro Oberfläche also konstant bleiben. In einem expandierenden Universum dagegen würde sich nicht nur die Menge an Lichtteilchen, die uns von einer Galaxien erreichen, im Lauf der Zeit ändern, da jedes Photon ein kleines bisschen weiter reisen muss. Sie wären auch immer stärker rotverschoben. Die Galaxien würden uns auch größer erscheinen, als sie eigentlich sind, da sich das Universum in der Zeit, in der das Licht bis zu uns unterwegs war, ja weiter ausgedehnt hat. Das alles zusammen sollte dazu führen, dass die Helligkeit von Galaxien sehr stark mit ihrer Entfernung sinkt.

Einwandfrei widerlegt

Im Lauf der Zeit wurden die Teleskope immer besser, und man konnte immer mehr und immer weiter entfernte Galaxien beobachten. Die Bilder wurden allerdings nie unscharf, so wie Zwicky das behauptet hatte. Und auch die Helligkeit fiel in dem Maße ab, wie es in einem expandierenden Universum der Fall war. Auch weitere Beobachtungsdaten widersprachen der Hypothese der Lichtermüdung.

Die Beobachtung von Supernova-Explosionen, die Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung und jede Menge andere Daten zeigen heute einwandfrei, dass das Licht nicht "müde" wird, sondern sich das Universum tatsächlich ausdehnt. Die Hypothese der Lichtermüdung ist mehr als deutlich widerlegt und taucht heute nur noch vereinzelt in den Pamphleten diverser Pseudowissenschafter auf, die Einstein widerlegen wollen.

Mut zur seriösen Wissenschaft

Aber auch wenn Fritz Zwicky mit dieser Idee falsch lag, war es gut, dass er sie gehabt hatte! Wenn man revolutionäre Entdeckungen machen will, muss man mutig sein. Man sollte dabei natürlich nicht den Weg der seriösen wissenschaftlichen Methodik verlassen, was Zwicky aber auch nicht getan hat. Seine Hypothese war zum damaligen Zeitpunkt durchaus seriös – und sie war vor allem überprüfbar.

Dass sie dieser Überprüfung nicht standhalten konnte, ist kein Drama, sondern etwas, das eben immer wieder vorkommen kann. Und bei der nächsten Idee kann es schon wieder ganz anders aussehen. Im Fall von Zwicky kam der nächste große Geistesblitz nur wenige Jahre später, als er die Existenz von "dunkler Materie" postulierte. Aber das ist wieder eine andere Geschichte (und eine, die – zumindest noch – nicht in einer Serie über wissenschaftliche Irrtümer erzählt werden muss). (Florian Freistetter, 7.3.2017)