Dabei wird klar: Nicht nur auf die wesentlichen Dinge, auch auf Nebensächlichkeiten kommt es an.

Gleicher Rauminhalt, gleicher Boden- und Deckenaufbau, und auch der Luftbefeuchter, mit dem das übliche Geschehen in Küche und Bad eines Wohnhauses simuliert wird, ist dasselbe Modell.

Was die Wände betrifft, unterscheiden sich die zehn weißen Häuser im Viva-Forschungspark des Baustoffkonzerns Baumit, am Stammsitz des Konzerns im niederösterreichischen Wopfing gelegen, teilweise aber buchstäblich "massiv". Hier ein 25-cm-Ziegel mit Außendämmung, dort ein ebenfalls gedämmtes Haus aus Beton mit Innenputz, daneben das gleiche Betonhaus ohne Innenputz. Ein paar Schritte weiter steht ein Haus aus 50er-Ziegeln mit integrierter Dämmung neben einem optisch sehr ähnlichen Haus aus Gipskartonständerwänden samt Außendämmung. Ein Holzmassivbau ist auch dabei, es ist das einzige Haus, das sich optisch von den anderen abhebt. Freilich nur innen; von außen sieht es aus wie jedes andere Haus in dem Park.

Unterschiedlich dicke Wände

Die zehn Häuser bzw. neun Forschungsobjekte – ein Haus beinhaltet die gesamte Technik samt computergestützter Steuerung – wurden Ende 2014 so aufgestellt, dass sie denselben Sonnenertrag haben, ohne sich gegenseitig zu beschatten. Innen sind alle gleich groß, mit Räumen von vier Meter Länge, drei Meter Breite und 2,7 Meter Höhe. Die Dicke der Wände aber variiert sehr stark zwischen 25 und 50 Zentimetern.

Die Häuser sind mit jeweils 45 Sensoren ausgestattet. Im Mai 2015 starteten die Messungen, ab diesem Zeitpunkt wurden 17 Monate lang alle 20 Sekunden verschiedene physikalische Messgrößen wie Luft- und Wandtemperaturen, die Luftfeuchtigkeit oder auch der Energieverbrauch aufgezeichnet.

Foto: Baumit

Luftaustausch dreimal täglich

Der bereits erwähnte Luftbefeuchter lief dreimal täglich in jedem Haus, "und über die eingebaute Be- und Entlüftung tauschten wir bei jedem Haus dreimal täglich die Luft komplett aus", erklärt Jürgen Lorenz, Leiter Forschung & Entwicklung bei Baumit und somit Chef des Forschungsparks.

Die Endergebnisse der 17 Monate langen Messungen gab der Baustoffkonzern kürzlich bekannt. "Wir können jetzt sagen: So baut man ein gesundes Haus", meinte Baumit-Geschäftsführer Robert Schmid auf einer Pressekonferenz in Wien. Im Detail sahen die Ergebnisse wie folgt aus:

  • Behaglichkeit Dass ein Haus ohne Dämmung wesentlich mehr Energie verbraucht (250 Prozent) als ein gedämmtes, konnte man sich noch vorstellen. Die gedämmten Häuser schnitten aber auch bei sämtlichen "Behaglichkeitsevaluierungen" besser ab als die ungedämmten, so Schmid. Diese "Behaglichkeit" wurde aus dem Zusammenspiel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit eruiert. Der gedämmte 25er-Ziegel und die Betonhäuser wurden hier am besten bewertet, knapp dahinter das Holzmassivhaus und der 50er-Ziegel. Gipskarton und ungedämmter 25er-Ziegel waren abgeschlagen.
Foto: Putschögl
  • Speichermasse Häuser mit guter Außendämmung und Innenmasse (Beton, Ziegel, Massivholz) speichern Energie am besten und können kurzfristige Temperaturschwankungen gut ausgleichen. Die bauphysikalischen Messungen hätten auch ergeben, dass beispielsweise ein 25er-Ziegel oder eine Betonwand, jeweils mit Außendämmung, günstiger sei als ein 50er-Ziegel mit integrierter Dämmung. "Die Außendämmung fungiert als Puffer", erklärt Lorenz. "Der 50er-Ziegel mit integrierter Dämmung muss einerseits von außen nach innen oft extreme Temperaturunterschiede aushalten, andererseits fehlt es dadurch an Speichermasse."
  • Geruch Was die beteiligten Forscher – neben der FH Burgenland noch das IBO (Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie) und die Med-Uni Wien -, aber auch Lorenz echt erstaunt hat: Trotz des bereits erwähnten dreimal täglichen Luftaustauschs über einen langen Zeitraum bleibt ein anfänglicher bauweisentypischer Geruch oft sehr lange im Haus. Die Gipskartonhäuser beurteilten Besucher noch nach 17 Monaten als olfaktorisch "auffällig", und auch im Holzmassivhaus riecht es nach wie vor stark nach Holz. In den Beton- und Ziegelhäusern wurde der Geruch schon nach wenigen Monaten als "unauffällig" bewertet.


Foto: Putschögl
  • Schadstoffe Die Belastung mit flüchtigen organischen Verbindungen (engl. Abkürzung VOC, Volatile Organic Compounds) erwies sich in allen Häusern mit Ausnahme des Holzmassivbaus nach zwei Jahren als unbedenklich. Allerdings war die Anfangsbelastung auch bei den beiden 25er-Ziegel-Häusern recht hoch. Als Grund dafür wurde später nicht die Wandkonstruktion, sondern ein bestimmter Abdichtungskleber ausgemacht.

Beim Holzhaus war die Belastung auch nach 17 Monaten noch sehr hoch. Grund dafür sind laut Lorenz die holzeigenen Terpene, die aber auch für den typischen, oft auch gewünschten Holzgeruch sorgen.

Der Umweltanalytiker Bernhard Damberger vom IBO, der im Auftrag von Baumit die Luftschadstoffmessungen durchgeführt hat, erklärt dazu im Gespräch mit dem Standard: Ja, die Werte seien stark erhöht gewesen; zurückzuführen sei das aber einerseits auf die hier verwendete Holzart (Kiefer), andererseits auf den geringen Rauminhalt der Häuser aufgrund der knapp bemessenen Kubaturen. "Dadurch wirkten sich die Harzausdünstungen natürlich umso stärker auf die Raumluft aus", sagt Damberger. "Und mit Fichte oder Tanne hätte es ganz andere Ergebnisse gegeben." Generell sei die VOC-Belastung in Holzhäusern in den allermeisten Fällen unbedenklich.

Kleber als Schadstoffquelle

Auch Damberger weist auf die Probleme mit dem Abdichtungskleber hin. Dadurch seien die Ergebnisse mancher Häuser leicht verfälscht worden. Für den Experten resultiert daraus wiederum eine sehr wichtige Erkenntnis: "Wer besonders umweltbewusst bauen will, sollte neben den großen Entscheidungen unbedingt auch sehr auf die eher nebensächlichen Dinge achten." Ein Kleber, über den man sich nicht so viele Gedanken macht, und der unter Umständen auch ohne Wissen eines Bauherren von Handwerkern sorglos verwendet wird, kann sich auf die Luftqualität verheerend auswirken und damit fast noch entscheidender sein als die gewählte Bauweise.

Foto: Putschögl
  • Lärm und Raumakustik Was die Schalldichtheit betrifft, zeigte sich erwartungsgemäß, dass in Häusern aus Beton Außenlärm nur als halb so laut empfunden wird wie in Häusern in Leichtbauweise. Der Wandaufbau und insbesondere der Innenputz können sich aber auch auf die Raumakustik im Inneren bedeutend auswirken, davon kann man sich beim Betreten der einzelnen Häuser eindrucksvoll überzeugen. "Schon eine dünne Schicht Innenputz wirkt sich auf das Raumklima markant aus", sagt Lorenz.

Um diesbezüglich neue Erkenntnisse zu gewinnen, werden nun nach Abschluss der ersten Forschungsperiode manche Häuser dazu verwendet, neue Produkte zu testen, etwa möglichst schallschluckende Innenputze. In einem der Häuser ist Lorenz da bereits eifrig am Experimentieren.

Foto: Baumit

Gründerzeithäuser in Bau

Das Projekt Viva-Forschungspark war von Baumit für zunächst drei Jahre angelegt und kostete den Konzern bisher rund drei Millionen Euro. Im Frühjahr werden direkt angrenzend an die bisherigen Forschungshäuser aber auch noch zwei "Gründerzeithäuser", gebaut mit Backsteinziegeln wie vor hundert Jahren (siehe Foto), in Betrieb genommen. Eines davon wird lediglich verputzt, das zweite bekommt eine Dämmung samt Außenputz. "Hier werden wir der Frage auf den Grund gehen, ob eine nachträgliche Wärmedämmung beim Gründerzeithaus sinnvoll ist und wie sie sich auf die Substanz auswirkt", so Schmid.

Auch in den neun schon bisher verwendeten Forschungshäusern werden noch weitere Tests stattfinden. Lorenz berichtet von geplanten Luftionenmessungen. Mit welcher Bauweise kann Feinstaub am besten aus der Luft gefiltert werden? Mit dieser Thematik will man sich demnächst in Wopfing eingehend beschäftigen. (Martin Putschögl, 7.3.2017)

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