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Eine Frau von Côte d'Ivoire füttert ihr Baby auf dem Rettungsschiff Golfo Azurro der spanischen NGO Proactiva Open Arms. Sie hatte sich auf die lebensgefährliche Überfahrt von Libyen nach Europa gemacht. In Libyen sind drei Viertel aller Flüchtlingskinder von Missbrauch betroffen.

AP Photo/Santi Palacios

Genf – Während in Europa über den "Pull-Faktor" durch Flüchtlingsrettung im Mittelmeer diskutiert wird, zeichnet ein am Dienstag präsentierter Unicef-Bericht ein erschreckendes Bild vom Martyrium vieler Kinder und Frauen auf der Mittelmeerroute. Drei Viertel aller Kinder seien zumindest einmal mit Gewalt konfrontiert gewesen, die Hälfte aller Frauen und Kinder berichte von sexuellem Missbrauch.

"Das zentrale Mittelmeer zwischen Nordafrika und Europa ist eine der gefährlichsten Migrationsrouten für Kinder und Frauen weltweit", betonte der für Europa zuständige Regionaldirektor des Uno-Kinderhilfswerks, Afshan Khan. 4.600 Menschen seien im Vorjahr bei dem Versuch gestorben, von Libyen über das Mittelmeer nach Italien zu kommen. Das sei etwa jede 40. Person, die die Überfahrt versuchte. Schätzungen zufolge waren mindestens 700 Kinder unter den Opfern.

Mehrmals missbraucht

Für den Bericht befragte Unicef Ende 2016 zahlreiche betroffene Kinder und Frauen in Libyen. Viele berichteten, dass Schlepper nach der ersten Zahlung wieder Geld verlangt hätten. Das erhöhte die Gefahr, Opfer von Missbrauch, Entführung oder Menschenhandel zu werden. Einige hätten sogar von mehrmaligem sexuellem Missbrauch an verschiedenen Orten berichtet.

Die Mittelmeerroute werde von Schleppern, Menschenhändlern und Menschen kontrolliert, "die verzweifelte Kinder und Frauen ausnutzen, welche einfach nur Schutz oder ein besseres Leben suchen", so Khan. In den Gesprächen berichteten die Frauen und Kinder auch über raue und überfüllte Bedingungen in den Schubhaftzentren sowie über Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln sowie über einen Mangel an adäquaten Unterkünften. Offiziell befanden sich unter den 260.000 Flüchtlingen in Libyen 30.803 Frauen und 23.102 Kinder, die Dunkelziffer sei aber wohl dreimal so hoch.

Unicef fordert Schutz

Unicef fordert, dass Kinder vor Gewalt und Ausbeutung geschützt werden, die Inhaftierung von Kindern aufgrund des Aufenthaltsstatus beendet wird und ihnen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung geboten wird. Neben einer Bekämpfung der Fluchtursachen seien auch Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit in den Transit- und Zielländern erforderlich.

In der Europäischen Union wird derzeit intensiv über weitere Abschottungsmaßnahmen diskutiert, um den Flüchtlingszustrom zu bremsen. Die Idee zur Errichtung von Aufnahmezentren in nordafrikanischen Ländern wie Libyen hat immer mehr Anhänger, jüngst sprach sich auch EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani dafür aus. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte am Montag, sein Vorschlag sei "Gott sei Dank mehrheitsfähig geworden". Kurz' deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel zeigte sich jedoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz skeptisch und verwies darauf, dass in Libyen "KZ-ähnliche Zustände für Flüchtlinge" herrschten. (APA, 28.2.2017)