Es empfiehlt sich, beim Eintritt flink zu sein. Nicht alle der rund 60 Sitzplätze bieten so optimale Sichtverhältnisse.

Foto: Monika Rovan

Wien – Im November hat allernächst der Porzellangasse (in den Räumen des ehemaligen International Theatre Vienna) das Bronski & Grünberg die Pforten geöffnet. Wiens neueste und auch eine seiner kleinsten Bühnen, betrieben von den Schauspielern Kaja Dymnicki, Alexander Pschill, Julia Edtmeier und Salka Weber. Inzwischen ist das Werkl warmgelaufen und die vierte Produktion an. Vor dem Fliegen heißt das Stück von Claudia Kottal und ist zugleich deren erste Regiearbeit.

Der Titel spielt auf den Ausgang des Roadmovieklassikers Thelma und Louise (1991) an. Die Geschichte der zwei zwischen Selbstbefreiung und Kriminalität schlingernden Freundinnen ist aber eine Unterlage, die für die kurzweilige Szenenfolge mit den zentralen Themen Feminismus und Mann-Frau-Beziehung nicht unbedingt Not getan hätte.

Das tolle Darstellerinnenduo Anna Kramer und Julia Schranz (einnehmend mit Wiener Idiom!) lernen wir nämlich bereits hinreichend ausdrucksstark als Hühnchen kennen. Ganzkörperkostümiert verteilen die im Media Markt in Floridsdorf Angestellten Werbezuckerln. Wie im Film soll sie ein Wochenendtrip aufs Land führen – und zugleich aus einer von männlicher Dominanz geprägten Beziehung.

Macht, Triebe, Sehnsucht

Sich Feministinnen zu nennen, dazu wollen die beiden sich nicht durchringen. Das klinge nach Mannweib und Emanze. Trotzdem könne es nicht sein, dass Frauen noch immer weniger verdienen als Männer. Oder dass sie selbst schuld sein sollen, wenn sie mit obszönen Gesten belästigt oder vergewaltigt werden, egal ob in der U-Bahn oder am Familienfest. Stichwort: Was hattest du an?

Allgemein emanzipatorische Monologe schieben sich zwischen die szenische Erzählung. Gutelaunemusik (arrangiert von Gustav-Frontfrau Eva Jantschitsch) und Schilder mit Botschaften wie "jetzt zugreifen" und "stoßfest" (Monika Rovan) sind überzeugende Kulissen für den auch im Ton differenzierten, mal witzig, mal sensibel, mal deftig viele Facetten einfangenden Text: Macht, Triebe, Sehnsucht, Stigmatisierung.

Männer kommen dabei lange schlecht weg, schließlich bietet sich aber auch ihnen eine Perspektive: dank Frauenbefreiung die Befreiung des Mannes von Rollenbildern. Großer Applaus. (Michael Wurmitzer, 25.2.2017)