Clemens Krauss' "Selbstportrait als Kind" (2017, Silikon, Farbe und Eigenhaar) bei Crone.

Bernd Borchardt

Hier herrscht eine andere Windrichtung", sagt Iwan Wirth. Erstmals seit 2009 nimmt seine renommierte Zürcher Galerie Hauser & Wirth wieder an der bis 26. Februar stattfindenden Kunstmesse Arco in Madrid teil: "Programm und Publikum sind anders als auf anderen Messen." Es zeige sich die Nähe zu Lateinamerika. Und die war bei der Arco, die heuer bereits zum 36. Mal stattfindet, immer schon stark. Erstmals ist, neben treuen Galerien aus Mexiko, Brasilien, Peru, Kolumbien und Chile, auch Kuba vertreten.

Nach Brasilien, Mexiko und zuletzt 2015 Kolumbien ist nun mit Argentinien bereits zum vierten Mal ein Staat Lateinamerikas als traditionelles Gastland geladen. Arco-Kuratorin Inés Katzenstein wählte zwölf Galerien aus Buenos Aires, die in ihren Kojen international weitgehend unbekannte, junge Künstler zeigen.

Bestechend sind die an Hieronymus Bosch erinnernde Arbeiten der jungen Künstlerin Lara Codega in der Galerie Mite, die in surrealistischer Manier animistisch-mediävale Motive auf gegerbte Rinderhälften ätzt: "Was wäre Argentinien ohne Viehzucht und seine Grillkultur?", fragt sie. Ihr Galeriekollege Juan Tessi wiederum sprengt mit Keramikköpfen und -händen die Grenzen seiner dreifach bespannten, ungrundierten Leinwände.

Neben einem Faible für Malerei lässt sich bei den gezeigten argentinischen Künstlern ein starker Hang zu Text und Kalligrafie feststellen. Arabischen oder japanischen Schriften ähneln etwa die völlig unleserlichen Briefe von Mirtha Dermisache (1940-2012) aus den 1970er-Jahren (zu sehen bei Henrique Féria). Dermisache ist keine Unbekannte, ihr OEuvre findet sich in den Sammlungen des Centre Pompidou, der Tate, des Getty Museums und des Moderne-Museums Malba in Buenos Aires. Ein ebenfalls immer wiederkehrendes Sujet ist die Beschäftigung mit der eigenen Sexualität, mitunter plakativ wie Diego Bianchis Selfie (2016): ein Mixed-Media-Ensemble aus Selfiestick und üppig dimensionierten Dildos.

Gute Verkäufe

Wirth hat nicht nur seine Stars Paul McCarthy und Louise Bourgeois mitgebracht (Bourgeois' La maladie de l'amour ist für 750.000 Euro zu haben), sondern, passend zum Arco-Schwerpunkt, auch den international längst etablierten Argentinier Guillermo Kuitca, 57, dessen Bild Untitled er um 472.000 Euro zum Verkauf anbietet.

Auf Social Media meistgepostet sind Ai Weiweis acrylbefleckte Han-Vasen (Cloured Vases, 2014, 200.000 Euro) bei der Londoner Galerie Lisson, die außerdem noch im gehobenen Preissegment Mirror, eine jüngere Arbeit von Anish Kapoor um umgerechnet 650.000 Euro, zeigt. Garant für Höchstpreisiges ist stets auch Leandro Navarro aus Madrid, der nebst einigen Werken von Picasso, Miró und Tàpies auch Salvador Dalís Der Triumph des Nautilus (1941) um 1,4 Mio. Euro aufwartet.

Auch die vier teilnehmenden österreichischen Galerien sind nach den ersten zwei Messetagen hoch zufrieden – und zwar nicht nur über das große Interesse an jungen österreichischen Künstlern wie Clemens Krauss und seiner Haut-und-Haar-Plastik Selbstportrait als Kind (2017) bei Crone (Berlin, Wien).

Thomas Krinzinger konnte einen großformatigen Jonathan Meese keine Viertelstunde nach Messebeginn um 46.000 Euro verkaufen, ebenso prompt fand bei Krobath Udo Rondinones Wolkenbild um umgerechnet rund 47.000 Euro einen neuen Besitzer. Rosemarie Schwarzwälder verkaufte die Mixed-Media-Plastik Steak/Stake Stack von Jessica Stockholder um 28.000 Euro an einen belgischen Privatsammler.

Nächstes Jahr könnte es noch besser werden, Thomas Krinzinger sieht "die Arco als Profiteur der politischen Situation in den USA unter Trump. Sammler, Künstler und Galerien aus Lateinamerika werden wohl in Zukunft zögerlicher agieren, was ihre Präsenz in den Vereinigten Staaten, primär auf Messen betrifft." (Jan Marot aus Madrid, 26.2.2017)