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Cressida Dick wird Chefin der Londoner Polizeibehörde.

Foto: REUTERS/Peter Nicholls

Von nächster Woche an ist die Sicherheit der Londoner in weiblicher Hand: Nach dem Amt des Premierministers und dem des Innenministers wird dann auch der Chefposten der Polizeibehörde Scotland Yard von einer Frau besetzt. Am Mittwochnachmittag teilte Innenministerin Amber Rudd die Berufung von Cressida Dick mit und lobte die 56-jährige Polizistin als "erfahrene Führungspersönlichkeit mit einer klaren Vision" für die britische Hauptstadt. Bürgermeister Sadiq Khan beglückwünschte die neue Polizeipräsidentin "im Namen aller Londoner".

Doch Dicks Name ist auch mit einer der schlimmsten Pannen in der 188-jährigen Geschichte der Behörde verbunden. Die Karrierebeamtin war am 22. Juli 2005 Einsatzleiterin, als Beamte eines Spezialkommandos einen 27-jährigen Elektriker im U-Bahn-Hof Stockwell durch sieben Kopfschüsse töteten. 15 Tage zuvor hatten Selbstmordattentäter 52 Unschuldige in U-Bahn-Zügen und einem Bus in den Tod gerissen. Einen Tag vor den Ereignissen im U-Bahn-Hof Stockwell waren die Anschläge vier weiterer Extremisten knapp gescheitert.

Hochnervöse Polizeiführung

Insofern war der erschossene Jean Charles de Menezes, 27, das 53. Terroropfer in London in jenem Monat: Er geriet ins Visier der hochnervösen Polizeiführung, weil er im gleichen Block wohnte wie einer der später Verurteilten und weil er diesem Attentäter zu allem Überfluss auch noch ähnlich sah.

Im Prozess um die Ereignisse nahmen die Geschworenen im Strafgericht Old Bailey ausdrücklich individuelle Beamte, auch die Einsatzleiterin Dick, von strafrechtlichen Vorwürfen aus. Die Behörde selbst aber wurde wegen "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" zu einer sechsstelligen Geldstrafe verurteilt.

De Menezes' Familie nennt Dicks Berufung zur Polizeichefin "eine Beleidigung" für das Andenken des Toten. Unter Fachleuten aber gilt Dick als herausragende Polizeiführerin – kühl, umsichtig, teamfähig. In der letzten Runde setzte sie sich gegen zwei andere Frauen und den einzigen männlichen Bewerber durch.

31 Jahre bei Scotland Yard

Dicks Berufung sei "ein brillantes Vorbild für Frauen innerhalb und außerhalb unserer Polizei", sagte der amtierende Polizeipräsident Bernard Hogan-Howe. Hingegen stellt sie, anders als der uneheliche Sohn eines Stahlarbeiters, kein Paradebeispiel für soziale Mobilität auf der Insel dar. Die Frau mit dem von Shakespeare ("Troilus und Cressida") inspirierten Vornamen ist Tochter zweier Akademiker der Uni Oxford, hat selbst die Elite-Uni besucht und anschließend 31 Jahre lang bei Scotland Yard Karriere gemacht. Zuletzt arbeitete die alleinstehende, kinderlose Beamtin als Sicherheitsberaterin für das Foreign Office.

Wie zwei ihrer Vorgänger muss die neue Polizeipräsidentin eine politisch schwierige Gratwanderung bestehen: Die konservative Innenministerin Amber Rudd und der ehrgeizige Labour-Bürgermeister Khan werden ihre je eigenen Ansprüche an Dick stellen. Als Leiterin von Scotland Yard fällt neben der Sicherheit der 8,5-Millionen-Einwohner-Metropole auch die Terrorabwehr für das ganze Land in ihre Zuständigkeit. Zudem bereitet die Behörde einen aufwendigen Umzug in ein hochmodernes neues Gebäude vor. (Sebastian Borger, 23.2.2017)