Europa ist gesünder, als viele glauben. Die echte Krankheit Europas sind seine Pessimisten." Schon Jacques Delors, von 1985 bis 1995 Präsident der Europäischen Kommission, war gezwungen, auf die Rhetorik vom Verfall Europas eine Antwort zu finden. Und heute scheint die polemisch-pessimistische Sichtweise verbreiteter denn je: Brexit, Grexit, Öxit ... Auflösung statt Erweiterung, Partikularinteressen statt gemeinsame Linie. In der Sicherheitspolitik, in der Außenpolitik, eigentlich überall.

25 Ideen für Europa – der von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik herausgegebene Band ist eine Festschrift anlässlich des ersten Vierteljahrhunderts ihres Bestehens, vor allem aber eine Rezeptsammlung zur Behandlung des grassierenden Pessimismus, mit dem Populisten und Demagogen seit Jahr und Tag prächtige Wahlsiege einfahren. Die 25 eher knappen, aber sehr konzentriert verfassten Essays – streng alphabetisch gereiht vom Wirtschaftsprofessor Karl Aiginger bis zur Politologin Melanie Sully – behandeln nicht nur Metathemen wie Demokratie, Solidarität und Integration, sondern gehen auch auf Aktuelles ein – wie das Verhältnis Europas zu Russland und zur Türkei, die Flüchtlingspolitik und den Ausstiegsprozess der Briten.

Es werden nicht nur Krankheiten diagnostiziert, sondern auch Therapiehypothesen und -szenarien erörtert, wie die Gemeinschaft in Zukunft aussehen könnte. Am Problemkreis des Brexit lässt sich etwa stringent argumentieren, dass nicht nur London, sondern genauso die EU eine Zukunftsstrategie braucht. Und zwar dringend. Da ist es wieder, das Klischee: die Krise als Chance – um zu beweisen, dass Europa stärker und gesünder ist, als es oft den Anschein haben mag. (Gianluca Wallisch, 22.2.2017)